piwik no script img

Peter Weissenburger EierHinweis für die Kuschelsaison: Seien Sie kein Stalker!

Kommen Sie auch gerade wieder so langsam aus der weihnachtlichen Feiertagstraumwelt voller Feenglitzer und inspirierender Geschichten zurück in die kalte Realität? Stellen Sie schockiert fest, dass Sie seit Wochen mit übersüßen Wintertraum-Teemischungen in der Hand „Tatsächlich … Liebe“ oder andere romantische Komödien angucken, aber Sie für den Rest des Winters noch niemand zum Kuscheln haben? Kommt vor.

Und im Übrigen ist das ein guter Zeitpunkt, um über Stalking zu reden.

Warum? Weil Stalking und Romantik eng miteinander verbunden sind – sich vielleicht sogar stark überschneiden. Wissen Sie noch, als ein Twitter-Nutzer diese „süße“ Geschichte schrieb: wie er eine Frau jeden Morgen in der Bahn beobachtet, die immer dieselbe Band auf dem iPod hört – und der er Konzertkarten für diese Band schenken will? Romantisch, oder? Igitt, gruselig, oder? Ein bisschen von beidem, oder?

Wenn Sie sich in den nächsten Tagen auf die Suche nach ihrer Kuschelconnection machen, bedenken Sie: Solange wir über Annäherungen mit Begriffen wie „erobern“ oder „Herz gewinnen“ nachdenken, solange wir davon ausgehen, dass nichts ahnende Leute im öffentlichen Nahverkehr gerne von Fremden mit geplanten überschwänglichen Galanterie­aktionen überrascht werden möchten, solange „jemanden täglich beobachten“ in irgendeiner Weise romantisch für uns klingt – so lange laufen wir Gefahr, Stalking zu betreiben, ohne es zu wissen.

Aber vielleicht wartet sie (oder er) ja auf ein Zeichen, eine Geste, ein magisches Signal? Ganz ehrlich, wer erwartet wirklich von einer Fremden oder einem Halbfremden romantische Gesten? Wer will nicht einfach nur ganz unaufgeregt angesprochen (und dann, falls die Antwort Nein ist, in Ruhe gelassen) werden?

Auf Netflix gibt es übrigens gerade die Möglichkeit, sich die Überschneidungspunkte zwischen Stalking und Romantik als Serie anzuschauen.

In „You“ erleben wir das Stalking aus der Sicht eines Stalkers. Das ist beklemmend, gruselig und natürlich auch stark überzeichnet. In jedem Fall ist eine unbedingte Content­warnung angebracht, denn wir selbst dringen als Zuschauende gewaltsam und manipulativ in das Leben einer jungen Frau ein – und bekommen per Voiceover die smarte und charmante Legitimierung für dieses abstoßende Verhalten gleich mitgeliefert.

Die Fünftage-vorschau

Mo., 14. 1.

Mithu Sanyal

Mithulogie

Di., 15. 1.

Doris Akrap

So nicht

Mi., 16. 1.

Franziska Seyboldt

Psycho

Do., 17. 1.

Jürn Kruse

Nach Geburt

Fr., 18. 1.

Michelle Demishevich

Lost in Trans*lation

kolumne@taz.de

Kann es nicht auch schön sein, fragen wir uns, wenn wir zu weit in die Logik des Protagonisten Joe eindringen – kann es nicht auch schön sein, jemanden durch und durch zu kennen, der nicht mal weiß, dass es einen gibt? So ein bisschen Schutzengel zu spielen?

Stalker, das wird klar, sind keine kranken Monster. Es sind Leute wie Sie und ich. Leute, die nicht vorsichtig genug mit der Idee „Romantik“ umgegangen sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen