piwik no script img

Archiv-Artikel

Peter Hein hat Recht: „Family 5“ in der Weltbühne Sozialromantische Wunschvorstellung

Über Peter Hein sind viele glorifizierende Bemerkungen gemacht worden. Monarchie und Alltag von den Fehlfarben und das Resistance-Album von Family 5 sind Markierungen, an denen „Deutschlands bester Sänger“ (Sounds) sich immer wieder messen lassen muss. Aber wie sang Paddy McAloon von Prefab Sprout so treffend: „You‘re only as good as the latest thing you did.“ Und: „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht.“ Sang the master himself.

War es früher so, dass Hein der Entwicklung voraus war, bleibt heute ein ambivalenter Eindruck zurück. Aus der Offensive ist eher eine Defensive geworden. Peter Hein setzt zwar noch immer an Stellen an, zu denen der Zeitgeist schweigt. Aber Hein wirkt dabei rückwärtsgewandt und kleinlich („Fehlfarben haben kein eigenes Fach“). Eben so, wie ‘77 die 68er den 60ern hinterherweinten.

Und während an meiner Mietwohnung ein Eichhörnchen draußen die Wand hochklettert, singt Hein mit grandios zorniger Stimme und dem aufrührerischen Pathos, das ihn berühmt gemacht hat, auf dem neuen Family 5-Album Wege zum Ruhm überzeugend gegen (Mode-)Diktate, Äußerlichkeiten und den Zustand der Republik: „Es ist doch einerlei. Schluss mit der Jammerei.“

Hein entlarvt deutsche „Quotenmucker“, wettert noch einmal gegen die Fassaden der „Lachleute und Nettmenschen“. Ein Titel wie „Überstunden“ zeigt ihn als einfühlsamen Innenweltbeobachter, der auch Zwischenmenschliches (wie auf Monarchie und Alltag) nah heranzoomt und das Befremden im Geschlechterleben mit wenigen Sätzen markant skizziert.

Es geht um Depressionen („Ich glaube an nichts und ich glaube nicht an nichts“) der Mittvierziger-Generation, die dieser Ära selbstverständlich nur blankes Entsetzen entgegenbringen kann. „Lauf der Zeit doch einfach davon“, soll die Losung sein. Und: „Die Zukunft wird herrlich durch das Loch im Himmel. Es wird groß und größer, wenn wir nur wollen“, heißt es in altem provokativen Stil.

Was sonst noch auffällt: Chöre sind anscheinend in (siehe Blumfeld und Der Plan). Musikalisch geht es eher rockig als punkrockig zu. Bläsersätze schmettern soulig und fanfarenhaft durchs Album. Xao Seffcheque, Chefarrangeur und Komponist, spielt seine Gitarre noch immer scharf und funky. „Keine Atempause, umgeschichtet wird die Macht“, singt Hein heute. Das klingt eher nach einer sozialromantischen Wunschvorstellung, die nicht einlösbar scheint, als nach Wahrheit. Und darin besteht die Differenz zu den Analysen von 1980. Carsten Klook

Freitag, 21 Uhr, Weltbühne