Pervertierte Männlichkeit im Panorama Special: Klebrige Close-ups

Mit "Aramdabda" und "Hu-tieh" laufen im Panorama Special zwei ostasiatische Filme, die nahelegen, der Konfuzianismus habe sich verselbstständigt.

Der Konfuzianismus hat sich längst verselbstständigt. Bild: berlinale

Nach der konfuzianischen Sittenlehre hat sich der Mann dem Herrn zu unterwerfen, das Kind den Eltern, der jüngere Bruder dem älteren Bruder und die Frau allen zusammen. Doch während dieses Denken in China, wo es entstanden ist, Gegengewichte wie den Daoismus und den Maoismus kannte, ist der Konfuzianismus in Korea und Japan nach wie vor ausschlaggebend. Wenn man die Filme "Arumdabda" und "Hu-tieh", die im Panorama der Berlinale laufen, ansieht, könnte man beinahe meinen: Die konfuzianische Misogynie hat sich außerhalb Chinas völlig von jeglichen gesellschaftlichen Notwendigkeiten gelöst, und sie ist, je hohler sie geworden ist, pervertiert.

Wenn man nicht wüsste, dass der erste Spielfilm des Koreaners Juhn Jaihong, "Arumdabda", auf einer Idee von Kim Ki-duk beruht, des Meisters traumatischer Filme über gepeinigtes Fleisch und andere Arten der Selbstverstümmelung, man könnte es glatt erraten. Das Problem ist nur: Während Kim Ki-duk mit seinen Filmen maximale Verstörung auslöst, macht sich Juhn Jaihong zum Komplizen des voyeuristischen Blicks auf die Filmheldin in "Arumdabda", die nur, weil sie schön ist, verfolgt und dann vergewaltigt wird.

Die Welt der Männer ist unisono hinter ihr her, keinerlei freundschaftliche Geste, keine Hilfestellung ist möglich, ohne dass die Männer sofort über den Tauschwert verhandeln. Die schöne Frau versucht, sich diesem Los durch die Veränderung ihres Körpers zu entziehen, und schlittert in eine veritable Essstörung. Je vehementer sie sich mit dem Rückbau ihrer Attraktivität aus dem Gefängnis ihrer Zuschreibung zu befreien versucht, desto lächerlicher wirkt sie: Was kritisch gemeint sein will, sprengt sich quasi selbst. Immer wieder fahren klebrige Close-ups über das Gesicht der Schönen.

Während "Arumdabda" also ein Albtraum von einem Film ist, hat sich "Hu-tieh" darauf verlegt, den Albtraum wirklich einzufangen. Der erste Spielfilm von Chang Tso-chi aus Taiwan über die japanische Exilgemeinde auf Taiwan schleift sich derart elliptisch mit somnambulen Bildern in den Kopf, dass er noch lang nachhallt im Bildergedächtnis des Berlinale-Besuchers. Auch "Hu-tieh" handelt maßgeblich von Geschlechterrollen, die sich überlebt haben - anders als bei "Arumdabda" wird dies aber als tiefe Tragik dargestellt.

Erzählt wird die Geschichte zweier Brüder, deren Mutter lang tot ist und deren Vater sie lang verlassen hat - er ist nach Japan gegangen, um dort Gangsterboss zu werden. Die Brüder sind in einer kleinen Fischerstadt beim Großvater aufgewachsen, haben sich aber, je abwesender der Vater war, umso mehr in seine Logik von Ehre und Rache verstrickt - im Gewächshaus des Exils sprießt noch das ollste Saatgut. Auch, wenn sämtliche Frauen in "Hu-tieh" greis, behindert, stumm oder tot sind: Den Männern geht es auch nicht viel besser, in dieser Geschichte sind alle ausgeliefert, Befreiungsversuche sind vollkommen zwecklos.

Aber noch einmal einen Schritt zurück, zum Plot: Chen ist für seinen Bruder in den Knast gegangen, und als er wieder rauskommt, muss er erfahren, dass der Bruder zum Vater nach Japan geflüchtet ist. Als Vater und Bruder aus Japan nach Taiwan kommen, bricht der schwelende Streit mit dem örtlichen Gangsterboss auf, es kommt zum Bandenkrieg. Doch bevor alles auf die Katastrophe zutaumelt, unternimmt Chen mit seiner Exfreundin, die nach einem traumatischen Erlebnis verstummt ist, noch eine Reise auf die Insel Lanyu, wo sich das Grab seiner Mutter befindet.

Diese Insel entpuppt sich als verlorenes Kindheitsparadies, in dem die gesamte mütterliche Logik in Ruinen liegt. Hier, unter den Ureinwohnern Taiwans, ist Chen groß geworden, doch als er ein paar alte Frauen in einem schäbigen und verlassenen Dorf nach einem Mann mit einem seltsamen Namen fragt, brechen diese nur in Kichern aus. Erst später erklärt er seiner Freundin, dass es sich bei diesem Namen um den eigenen handelt, den er unter diesen Leuten hatte.

Immer wieder wandert die Kamera in "Hu-tieh" traumgleich über Szenerien, die wie die traurigsten Tropen wirken. Immer wieder werden neue Kapitel nicht mit einem simplen Schnitt begonnen, sondern mit einer langen Schwarzblende - als müsse man die Augen schließen, um die Schwere des Moments sacken zu lassen. Besonders ergreifend ist ein verlassener Vergnügungspark, der mal mit, mal ohne Chen ins Bild kommt: große Plastiktiere, die vom Bambus überwuchert sind. Eine beklemmende Vorwegnahme des bösen Endes dieser todtraurigen Geschichte sinnenleerter Männlichkeit.

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