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■ Peru und Ecuador entdecken den TerritorialkriegFern wie der Erste Weltkrieg?

Es ist ein Krieg wie aus dem Geschichtsbuch. Zwei Länder streiten sich um eine Grenze. Soldaten schießen, Politiker halten aufgeregte Reden, Diplomaten sorgen sich, Zivilisten fliehen. Mit historischen Argumenten belehrt uns ein Land, warum ein Stück des anderen eigentlich ihm gehört. Und das andere Land zeigt empört mit dem hochgerüsteten Finger und holt aus zum Präventivschlag. Das eine Land heißt Ecuador, das andere Peru. Sie liegen auf der anderen Seite des Erdballs, und ihr Streit erscheint so weit entfernt wie, sagen wir, der Erste Weltkrieg. Nationalistische Überreaktion wird diagnostiziert, ebenso innenpolitisches Kalkül. Aber eigentlich leben wir doch in einer Welt, in der Konflikte auf friedlichem Wege gelöst werden.

Das ist Unsinn. Territorialkriege und die ihm zugrunde liegenden Denkmuster geographischer Machtausdehnung sind nicht deswegen aus der Weltgeschichte verschwunden, weil sie innerhalb der Europäischen Union aus der Mode gekommen sind. Verschwunden scheint lediglich die Fähigkeit, mit Territorialkriegen umzugehen. Die immer neuen Aufteilungslandkarten, mit denen internationale Unterhändler in regelmäßigen Abständen die leidende Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas beglücken, sind Dokumente einer ganz neuen Hilflosigkeit, ebenso die völlige Lähmung der internationalen Gemeinschaft angesichts der sich immer blutiger vollziehenden Trennung von Israelis und Palästinensern. Von der ehemaligen Sowjetunion bis hin zum Südchinesischen Meer oder dem Horn von Afrika gibt es derweil kaum eine Weltgegend, in der Streit um alte und neue Grenzen nicht die politische Entwicklung maßgeblich bestimmt.

Aber daß so viele Völker ihren staatlichen Grenzen so viel Bedeutung beimessen, gilt dennoch als unfein, als Zeichen mangelnder Zivilisation, denn Grenzveränderungen komplizieren die Welt. Dabei sind sie oft einfach ein Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungen, die sich um administrative Trennungslinien nicht scheren und die nach neuen politischen Ausdrucksformen verlangen. Vor hundert, vor fünfzig Jahren traten in solchen Fällen Konferenzen zusammen und gestalteten die Landkarte neu. Heutzutage behaupten die Führer der Welt im Namen einer nur auf ihren Finanzmärkten und in ihren Köpfen existierenden globalen Marktwirtschaft mit fallenden Barrieren und ähnlichen Hirngespinsten, Grenzverläufe seien egal, denn was zähle, sei die Freiheit des Welthandels und des Kapitalflusses. Für die Mehrheit der Menschen auf der Welt zählen aber viel konkretere Dinge, die mit gegenseitiger Anerkennung und mit individueller wie kollektiver Menschenwürde zu tun haben. Auch für diejenigen, die jetzt die Generäle Perus und Ecuadors jubelnd in den Krieg ziehen lassen. Dominic Johnson

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