: Personalräte-Macht verfassungswidrig
■ Das Bundesverfassungsgericht setzt mit einem Urteil zu Schleswig-Holstein das Bremer Personalvertretungsgesetz praktisch außer Kraft / „Allzuständigkeit“ ist verfassungswidrig
Seit Jahren wettern CDU und FDP, aber auch politisch verantwortliche SenatorInnen jeglicher Couleur, gegen die weitgehenden Rechte der Personalräte im Öffentlichen Dienst: Nichts geht ohne eine Zustimmung der allgewaltigen Herren von der ÖTV, und wenn deren Zustimmung nicht im Vorfeld durch andere Zugeständnisse „erkauft“ wurde, dann drohen unendlich lange Einigungsstellen-Verfahren, so lautet die Kritik. Die Ampel-Koalition hatte auf Betreiben der FDP eine Reform des „Personalvertretungs-Gesetzes“ (PVG) in ihr Programm geschrieben, aber richtig anlegen mit den Personalräten wollte sie sich dann auch nicht. Zwischen SPD und CDU versprach die Auseinandersetzungen spannend zu werden – der große Koalitionsvertrag blieb unverbindlich allgemein.
Nun wird alles doch noch in Bewegung kommen und zwar fast von selbst: Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Grundsatzentscheidung wesentliche Pfeiler der Personalvertretung, wie sie auch dem bremischen PVG zugrunde liegen, für verfassungswidrig erklärt. „Allzuständigkeit“, Entscheidungsrecht der Einigungsstelle und „Initiativrecht“ sind schlicht grundgesetzwidrig, meinte die Verfassungshüter in einer Entscheidung zum Personalvertretungsgesetz in Schleswig-Holstein. Der Spruch gilt mittelbar für Bremen auch, hier sind die Rechte der Personalräte noch weitgehender.
Die Begründung der Verfassungsrichter ist ganz einfach: Die Regierungen sind demokratich legitimiert, sagen sie, sie dürfen in ihrer souveränen Entscheidung nicht durch irgendwelche Interessenvertretungen beeinträchtigt werden. Personalräte aber vertreten per Definition und Wahlmodus Sonderinteressen der Beschäftigten. Auch Personalentscheidungen im Angestelltenbereich würden mittelbar Bedeutung haben für den Inhalt staatlicher Gewaltausübung, überall müsse das „Letztentscheidungsrecht“ der legitimierten Staatsvertreter ohne Einschränkung gelten.
Das „Initiativrecht“ der Personalräte, bach der die Vertretungsorgane auch Veränderungen der Verwaltungsorganisation in Gang setzen konnten, hat in der Praxis keine Rolle gespielt – eigene Initiative auf dieser Ebene haben die Personalräte nie ergriffen. Entscheidender schon ist der Richterspruch gegen die Kompetenz der „Eini-gungsstellen“: Nach bisherigem Bremer Recht, also seit 1974, ist es bei Personalfragen im Angestelltenbereich so, daß eine unabhängige Einigungsstelle das Letztentscheidungsrecht hat, wenn Behördenleitung und Personalrat sich nicht verständigt haben. In der Praxis hat das zu einer großen Machtstellung der Personalräte geführt, weil jeder Behördenchef bemüht sein mußte, schon im Vorfeld Konflikte zu vermeiden. Dies, rügen die Verfassungsrichter, führt dazu, daß die Entscheidungen nicht hinreichen demokratisch legitimiert sind. Die Behördenleiter müssen das Letztentscheidungsrecht auch dann haben, wenn der Konfliktfall nicht „wegen seiner Auswirkungen auf das Gemeinwohl Bestandteil der Regierungsverantwortung“ ist. Nur mit dieser ausdrücklichen Begründung konnte der Senat bisher in Bremen ein „Letztentscheidungsrecht“ beanspruchen.
Bei „innerdienstlichen Maßnahmen, die schwerpunktmäßig die Erledigung von Amtsaufgaben betreffen“, darf die Einigungsstelle nur eine „Empfehlung“ aussprechen, weil die „parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung keine substantielle Einschränkung erfahren“ darf. „Zu den hier in Rede stehenden Maßnahmen gehören insbesondere solche der Personalpolitik...“ schreiben die Verfassungsrichter.
Verfassungswidrig, so die Richter, ist auch die „Allzuständigkeit“ der Personalräte. Der Mitbestimmung würden dadurch „in weiten Bereichen Angelegenheiten zugeführt, die sich typischerweise auf die Wahrnehmung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ auswirken – auc– wenn dies nur „unerheblich“ ist.
In der Bemer Politik ist diese BVG-Entscheidung bisher kaum „angekommen“. Unter den Antragstellern, die da erfolgreich gegen Björn Engholms Personalvertretungsgesetz geklagt haben, ist aber einer, der das Urteil nach Bremen tragen wird: Bernd Neumann, CDU-Landesvorsitzender. K.W.
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