piwik no script img

■ Bespitzelte der Verfassungsschutz das Bremer Parlament?Persilschein für die Schlapphüte

Mehr als eine Provinzposse: Da heuert das Bundesamt für Verfassungsschutz einen Bremer DVU- Funktionär als V-Mann an. Der spitzelt eifrig und bekommt auch Monat für Monat seinen Lohn aus Köln. Nun soll der Mann aber Karriere machen, hat der DVU-Chef Frey beschlossen. Der setzt den Bremer also auf die Liste für die Bürgerschaftswahl, und siehe da: Die Rechtsausleger schaffen den Sprung über die fünf Prozent, dem V-Mann ist ein Mandat in der Bürgerschaft sicher. Erst als er das antritt, endet angeblich sein Job als Nebenerwerbsspion, und das gegebenenfalls auch nur, weil dem Bremer Landesamt die Geschichte zu heiß wird.

Immerhin sind die Parlamente für den Verfassungsschutz tabu. Der Verfassungsschutz im Parlament? Jedenfalls mit Wissen des Verfassungsschutzes ins Parlament – ein starkes Stück! Wer nicht jetzt schon abwinkt, weil er dem Verfassungsschutz sowieso alles zutraut, der wird vielleicht hoffen, daß die Schnüffler wenigstens von der Politik eins auf den Schlapphut kriegen. Schließlich gibt's ja parlamentarische Kontrolleure. Die werden immer gerne vorgezeigt, wenn es darum geht, die demokratische Legitimation der Geheimdienste herauszukehren. Aber denkste! Was ist die Kontrolle wert, wenn die Kontrolleure noch nicht mal in die Akten gucken können? Das Bundesamt erklärt die Bremer Parlamentarier schlankweg für nicht zuständig, und das Bremer Amt versteckt sich hinter dem breiten Kölner Rücken, und das, obwohl die Bremer jeden Spitzelbericht des V-Mannes brühwarm auf den Tisch des Hauses bekommen haben. Die Kontrolleure hecheln zahnlos hinter den beiden Ämtern hinterher.

Man muß sich die Dimension des Falles klarmachen: Da steckt das Bundesamt seine lange Nase in die Bremer Landespolitik, das Landesamt profitiert ganz ordentlich, und wenn die Bremer Parlamentarier wissen wollen, was da über Jahre gelaufen ist, dann wird ihnen der Einblick verwehrt. Warum sollte jetzt noch einer den Angaben glauben, der Spitzel sei zurückgezogen worden, als er in das Parlament einzog? Wenigstens die Grünen und Teile der SPD haben gemerkt, welche Brisanz der Fall hat. Wenn sich jetzt die Kontrolleure nicht durchsetzen, dann ist das geradezu eine Einladung für die Schnüffler, völlig losgelöst überall herumzuspionieren, schnurzegal, ob es verboten ist oder nicht. In dem Fall geht es um nichts weniger als um die Selbstachtung des Parlaments. Die wird hohl, wenn den Diensten nicht unmißverständlich klargemacht wird, daß sie schon bei der Wahl nichts zu suchen haben. CDU und FDP haben sich in dem Fall bislang weggeduckt. Daß es gegen Rechtsaußen ging, hat ihnen das Verhalten erleichtert. Jetzt aber wäre es an der Zeit, auch von außen Aufklärung einzufordern. Damit der Fall nicht als Posse aus der Provinz versandet. Jochen Grabler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen