: Perestroika jetzt auch in Polen?
■ Arbeitsbericht für ZK–Sitzung vorab veröffentlicht / Reformen in Harmonie mit Umgestaltung in der Sowjetunion gefordert
Warschau/Berlin (ap/taz) -Die polnische Nachrichtenagentur PAP hat in einem bisher einmaligen Vorgang vorab einen Arbeitsbericht für eine ZK–Sitzung der Kommunistischen Partei veröffentlicht. In dem Papier werden Rechtsreformen und die Entwicklung einer sozialistischen Selbstverwaltung gefordert, die „mit der Umgestaltung in der Sowjetunion harmonisieren“ sollen. Die ZK–Sitzung wird am 25. November, fünf Tage vor der Volksbefragung über wirtschaftliche und politische Reformen der Regierung, stattfinden. Bekannt war bereits, daß Grundnahrungsmittel, Heizung und Mieten im Zuge der Wirtschaftsreform um bis zu 200 Prozent steigen würden. Die Veröffentlichung dürfte zum Ziel haben, Unklarheiten über den Inhalt der politischen Reformen zu beseitigen. Sechzig polnische Intellektuelle forderten die Führung am Montag in einer Erklärung zu Verhandlungen mit den Kritikern auf. In dem Text wird ein „Reformprogramm als Kulisse abgelehnt und die Zulassung wirtschaftlicher, berufsständischer, kultureller und sozialer Gruppen als Voraussetzung für Entwicklung einer Selbstverwaltung bezeichnet. Unterschrieben haben unter anderem Lech Walesa, der frühere Rektor der Warschauer Uni Henryk Samsonowicz, Zbigniew Bujak, Adam Michnik und Jacek Kuron, Mitglieder oder Berater von Solidarnosc. Unterdessen erklärte Regierungssprecher Jerzy Urban am Dienstag auf einer Pressekonferenz, die zwei Tage zuvor unter anderem von dem Literaturwissenschaftler J.J. Lipski und dem Solidarnosc–Führer aus Wroclaw, Pinior neugegründete oppositionelle Sozialistische Partei werde nicht toleriert, sondern als eine der „illegalen Gruppen“ behandelt werden. Die Gründung überschreite die Grenzen des „sozialistischen Pluralismus“. Die Parteigründer wollen an die „katholische Soziallehre“ und an „nationale Ideale“ anknüpfen.
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