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■ Peres fordert, daß Arafat Hamas und Dschihad ausschaltetVorschnelle Anklage gegen die PLO

Eiskalte Atmosphäre. Absoluter Tiefpunkt. Die israelisch-palästinensischen Beziehungen sind nach dem Hamas-Attentat in Jerusalem so schlecht wie nie zuvor seit Beginn des Friedensprozesses. Zum Treffen mit dem palästinensischen Autonomiechef Jassir Arafat war Israels Regierungschef Schimon Peres selbst erst gar nicht angereist. Er schickte Generalstabschef Amnon Lipkin-Shahak. Der brachte auch noch gleich Befehle mit, wen Arafat zu verhaften habe, um den Hamas- und Dschihad-Kämpfern den Garaus zu machen. Der PLO-Chef als Handlanger Israels, das ist Wasser auf die Mühlen von Hamas.

Israels Öffentlichkeit verlangt zu Recht ein hartes Durchgreifen gegenüber dem menschenverachtenden Terrorismus. Peres, selbst unter Druck, kommt dem eilfertig nach und zeigt mit dem Finger auf Arafat. Doch die israelische Haltung ist scheinheilig. Die Verantwortung für das Massaker in Jerusalem den palästinensischen Autonomiebehörden in die Schuhe zu schieben, ist zumindest vorschnell.

Wenn sich Arafats Verteidigung als zutreffend herausstellen sollte, daß die Täter aus dem von Israel kontrollierten Flüchtlingslager Fawar bei Hebron kommen, muß Peres sich an die eigene Nase fassen. Selbst wenn der israelische Vorwurf stimmt, daß Arafat und seine zahlreichen Geheimdienst- und Polizeitruppen die militärische Vernichtung von Hamas und Dschihad bislang scheuen, so haben die palästinensischen Dienste in der Vergangenheit – bei ausdrücklichem Lob aus Israel – doch zahlreiche Anschläge auf politischem Wege zu verhindern gewußt, auch in Zusammenarbeit mit Israel.

Diese bereitwillige Kooperation wegen eines Attentats, dessen Hintergründe noch ungeklärt sind, mit der Abriegelung der besetzten Gebiete und der demonstrativen Demütigung Arafats zu bestrafen, kann den Graben zwischen Israelis und Palästinensern nur vertiefen. Sehr zum Schaden des Friedensprozesses.

Eines sollte Israels Regierung nicht vergessen: Die Schlange, deren Kopf Peres heute von Arafat fordert, wurde über Jahre an der israelischen Brust genährt. Und bislang haben selbst Israels hochgerühmte Geheimdienste und Armeetruppen nur mit hohen Kosten und nach langwierigster Vorbereitung einige wenige Hamas- und Dschihad-Führer unter juristisch fragwürdigen Umständen vom Leben zum Tode gebracht. Ein bißchen mehr Zurückhaltung auf israelischer Seite käme nicht schlecht. Georg Baltissen

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