piwik no script img

Pentagon schreibt Tankjet-Deal neu ausBoeing wittert Morgenluft

Eigentlich war der Milliardenauftrag der US-Luftwaffe längst an den europäischen EADS-Konzern gegangen. Jetzt gilt das nicht mehr. Wie hat US-Konkurrent Boeing das geschafft?

Offiziell reagiert man bei der EADS gelassen - doch am US-Auftrag hängt viel für den angeschlagenen Konzern Bild: dpa

WASHINGTON taz Die Entscheidung von US-Verteidigungsminister Robert Gates, dem europäischen Flugzeughersteller EADS doch keinen spektakulären Durchbruch auf dem eifersüchtig bewachten amerikanischen Rüstungsmarkt zu erlauben, hat in den USA Erleichterung ausgelöst.

In ettlichen Kommentaren schwingt allerdings auch Verwunderung bis hin zu einem Geschmäckle mit: Wie bloß hat es der amerikanische Platzhirsch Boeing geschafft, dass der Auftrag der US-Luftwaffe für 179 Tankflugzeuge im Gesamtwert von rund 100 Milliarden Dollar nun größtenteils neu ausgeschrieben wird?

Der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain sagte außergewöhnlich knapp, die Entscheidung sei ein Schritt für einen "vollen und offenen Wettbewerb". Der Senator hatte vor Jahren die Vergabe des Auftrags an Boeing gestoppt, nachdem recht vorteilhafte Bedingungen der Leasing-Vereinbarungen zwischen der Luftwaffe und Boeing bekannt geworden waren. Seither wurde McCain unterstellt, eine europäische Firma statt den uramerikanischen Boing-Konzern zu bevorzugen. Es half McCain nicht gerade, dass einige seiner Top-Wahlkampfberater zuvor für den EADS-Airbus gearbeitet haben. Die Neuausschreibung soll nun nicht mehr von der Luftwaffe entschieden werden, sondern direkt vom Pentagon.

"Ich denke, das ist besser", sagte der Kongressabgeordnete Norm Dicks am Mittwochabend in Washington und murmelte dazu, niemand traue der Luftwaffe mehr in dieser Angelegenheit. Und EADS-Konkurrent Boeing, der seit Jahrzehnten ein Monopol auf die Ausrüstung der Air Force hat, wittert Morgenluft: "Es ist ermutigend, dass das Verteidigungsministerium Maßnahmen ergreift, einen fairen und offenen Wettbewerb sicherzustellen."

Das Pentagon wird die acht Teilbereiche des Auftrags, die der Rechnungshof des US-Kongresses (GOA) bemängelt hatte, neu ausschreiben. Dabei geht es unter anderem um den maximalen Ausstoß der Betankungsrüssel, die Kampfjets in der Luft speisen. EADS ist sehr stolz auf sein System, was laut Rechnungshof aber kein entscheidendes Kriterium der Auftragsvergabe hätte sein dürfen. Die neu ausgeschriebenen Teilbereiche umfassen 22 Milliarden Dollar des ursprünglich 35 Milliarden Dollar Deals, der sich über die gesamte Laufzeit auf rund 100 Milliarden Dollar summiert.

Bei der ersten Auftragsvergabe im März hatte völlig überraschend EADS in einem Konsortium mit der US-Rüstungfirma Northrop Grummann den Erzrivalen Boeing ausgestochen. Mitten im Vorwahlkampf und überschattet von der Wirtschaftskrise schlugen die Wellen der politischen Empörung hoch. Unterstützt von ettlichen Kongreßabgeordneten legte der Boeing-Konzern Beschwerde ein. Prompt stellte der Rechnungshof des Kongresses im vergangenen Monat in einem 69-seitigen Gutachten gravierende Mängel bei der Auftragsvergabe fest. Die Air Force habe Ausschreibungsbedingungen missachtet, sonst hätte Boeing "eine substantielle Chance gehabt, den Zuschlag zu bekommen", heißt es darin. EADS-Chef Louis Gallois zeigte sich auf amerikanische Art brachial positivistisch: "Wir begrüßen die Ankündigung des Verteidigungsministers und sind bereit, unseren Partner Northrop Grumman voll zu unterstützen, indem wir schnell die Forderungen unseres Kunden erfüllen." Der amerikanische Partner ließ ausrichten, "die US-Luftwaffe hat sich bereits für den besten Tanker entschieden", man sei "zuversichtlich", dass sich auch das Pentagon "richtig" entscheide.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!