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■ KommentarPause von der Chemie

Die Forderung ist weder neu noch originell: Ein von internationalem Konkurrenzdruck und nationaler Konjunkturflaute gebeutelter Industriezweig will seine Überlebensfähigkeit sichern, indem er seine MitarbeiterInnen und die Umwelt die Zeche zahlen läßt. Neben die Lohnpause tritt die Umweltpause. Was nicht meint, daß der Natur eine Pause vor der Chemie gegönnt wird – im Gegenteil. Die Chemie-Industrie will vor zusätzlichem Umweltschutz geschützt werden, um wieder kräftige Profite einzufahren.

Wo Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, werden soziale und ökologische Errungenschaften zweitrangig. Ein Hamburger Bürgermeister, der für Umweltschutz nur dann die Hand hebt, wenn er den Wirtschaftsstandort nicht gefährdet sieht, und ein niedersächsischer Ministerpräsident, der die Konjunktur in seinem Land neuerdings durch verstärkte Rüstungsproduktion – Stichwort „Eurofighter“– beleben will, stehen für diesen inzwischen auch in der Sozialdemokratie wieder mehrheitsfähigen Kurs. Der „ökologische Umbau der Industriegesellschaft“ ist längst zum Papiertiger verkommen.

Die strukturelle Krise der bundesdeutschen Industrie ist mit Lohn- und Umweltpausen aber kaum zu bekämpfen. Wer allein mit diesem Weg Konkurrenzfähigkeit erhalten will, muß konsequenterweise Umweltauflagen und Lohnniveau auf den Standard der sogenannten „Schwellenländer“ herabsenken. Ein Weg, der in die Sackgasse führt. Statt dessen müssen die ökologischen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen der Güterproduktion verbessert werden. Für die Industrieländer ist das zum Nulltarif nicht zu haben: Sie müssen international in die Erhaltung der Natur investieren. Eine Aufgabe, die wir nicht auf die armen Länder abwälzen können.

Marco Carini

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