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■ Paul Klein, Militärsoziologe bei der Bundeswehr, über Abenteuerlust, Angst und Stolz unter den Tornado-Piloten„Der Tod läßt sich nicht simulieren“

taz: Herr Klein, in Bosnien können deutsche Soldaten bei Kampfeinsätzen sterben. Wie werden sie auf den Tod vorbereitet?

Paul Klein: Den Piloten ist ziemlich klar, was da alles passieren kann. Der Anflug auf die Radarstellungen wird bis zum Erbrechen geübt, das rein Manuelle beherrschen die im Schlaf. Sie werden auch mental vorbereitet, spielen alle Situationen durch, mit allen Konsequenzen. Trotzdem: Selbst so hartgesottene Truppen wie die Franzosen haben in Ruanda ihre kleine Katstrophe erlebt, weil ihre Leute nicht damit fertig wurden, plötzlich mit Bergen von Leichen konfrontiert zu werden. Der Tod läßt sich nicht simulieren.

Was passiert konkret, wenn einer der deutschen Piloten im Einsatz stirbt?

Das hätte keine große Wirkung auf die Moral der Truppe – die Soldaten wissen, was auf sie zukommt. Auch die Öffentlichkeit ist inzwischen darauf vorbereitet, daß bei einem solchen Einsatz Bundeswehrsoldaten sterben können. Dieses Gerede, wenn die ersten Särge zurückkommen, dann gibt es die Katastrophe – da ist nichts dran.

So wurde immer vor Kriegen geredet ...

Das hängt doch einfach davon ab, ob der Sinn eines solchen Einsatzes gründlich vermittelt wurde. Ob die Bevölkerung ihn akzeptiert. Wenn das der Fall ist, wird sie auch akzeptieren, daß Soldaten dabei ihr Leben verlieren können.

Der Einsatz in Bosnien, macht er für die Soldaten Sinn?

Bei denen, die im Feldlazarett in Split arbeiten werden, haben humanitäre Gesichtspunkte eine Rolle gespielt. Sicher spielt auch eine Rolle, daß man nun den Nato- Kameraden zeigen kann, daß man sie nicht alleine läßt.

Denken so auch die Tornado- Piloten – sie wickeln schließlich keine Mullbinden auf.

Ein Teil von ihnen denkt sicher so. Hinzu kommt ein rein professionelles Interesse: Endlich einmal für das gebraucht zu werden, was sie bisher nur geübt haben. Zweifelsohne gibt es auch Soldaten, die aus Abenteuerlust hingehen.

So soll der deutsche Soldat sein: „streßresistent“. Das klingt, als könnte er auf Knopfdruck seine Angst ausblenden.

Um Gottes willen, da haben Sie mich mißverstanden. Die Angst wird man nie ganz ausschalten können. Und es wäre auch fatal, wenn dies so wäre. Man muß lernen, mit dieser Angst fertig zu werden. Dabei hilft es, wenn man sich seines handwerklichen Könnens bewußt ist. Damit ist die Angst natürlich noch nicht weg. Sie wird wohl geringer, je mehr Routine man hat. Kein Üben kann den Einsatz ersetzen.

Das Land ist gespalten. 35 Prozent der Bevölkerung, hat „Die Woche“ gerade ermittelt, wollen keine deutschen Soldaten in Ex- Jugoslawien.

Ich glaube, das stört die Soldaten nicht allzusehr. Da ist ein gewisser Stolz vorhanden und das Motiv, helfen zu können. Das, glauben die Soldaten, wertet sie in den Augen ihrer Mitbürger auf.

„Derbere Typen“, sagt der Leiter Ihres Instituts, Professor Bernhard Fleckenstein, seien beim Bund wieder gefragt.

Man muß unterscheiden, um was für einen Einsatz es sich handelt. Geht es um eine Blauhelm- Mission? Dann tritt natürlich das Soldatische in den Hintergrund. Sollten Bodentruppen in Ex-Jugoslawien eingesetzt werden, dann braucht man den gut ausgebildeten Soldaten, der sich in einer Gefechtssituation behaupten kann.

Peter-Georg Stütz, der Kommandeur der Tornado-Piloten, lobt seine Flieger: „Sie haben den Kopf frei.“

Je mehr andere Sorgen gerade ein solcher Pilot mit sich rumträgt, um so weniger wird er sich seiner Aufgabe widmen können. Mein Gott, wo es auf Tod und Leben ankommt, da braucht man natürlich volle Konzentration.

Die Piloten reden sich ihren Job schön, verdrängen das Grausame. In ihrer Sprache heißt der Bomber „Vogel“, Krieg „entschlossener Einsatz“, und wer sich per Schleudersitz aus dem Cockpit katapultiert, muß eben „aussteigen“.

Der Tod ist trotz allen Trainings für jeden eine belastende Sache. Wir alle reden nicht gerne darüber – da läuft eine Art von Verdrängung ab. Die Piloten sind sich im klaren: Ihr eigenes Leben ist in Gefahr. Interview: Thorsten Schmitz

Paul Klein, 54, arbeitet am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr, das Anfang des Jahres von München nach Strausberg bei Berlin verlegt wurde. Die Mitarbeiter fühlen sich „in die Pampa strafversetzt“. Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) schätzt die Arbeiten des Instituts nicht besonders: Die Forschungsergebnisse zu Motivation und Psyche der Soldaten sind ihm oft zu kritisch.

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