Parteikongress der palästinensischen Fatah: Alte Kämpfer schöpfen Hoffnung

Die größte Palästinenserorganisation wählt auf ihrem ersten Parteitag seit 20 Jahren eine neue Führung. Hunderte Delegierte sind aus dem arabischen Exil angereist.

Zu Beginn des Fatah-Parteitags wird ein Gebet gen Himmel geschickt - auf das der Laden zusammenhält. In der Bildmitte: Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas Bild: dpa

BETHLEHEM taz | Mit festen Schritten und schwer atmend nimmt Nimra Said den Anstieg zum Terra Sancta College in Bethlehem. Die 55-Jährige ist eigens aus Tunis gekommen, um an der 6. Generalkonferenz der größten Palästinenserorganisation Fatah teilzunehmen. Es ist der erste Parteitag seit 20 Jahren und der erste ohne den Fatah-Mitgründer und jahrzehntelangen Vorsitzenden Jassir Arafat.

"Ich hoffe auf einen Neuanfang der Bewegung", keucht Nimra, ohne ihr Tempo zu verringern. "Wir haben es schon viel zu lange mit derselben Führung zu tun und brauchen dringend frisches Blut."

Auf der Agenda der auf drei Tage angesetzten Konferenz steht neben Lösungsmodellen für den Gazastreifen, der von Hamas kontrolliert wird, vor allem die Abstimmung über ein Parteiprogramm und die Wahl einer neuen Führung, darunter der 21-köpfige Zentralrat und die 125 Mitglieder des Revolutionsrats. Für den Zentralrat, dem wichtigsten Parteigremium, kandidieren Vertreter der aus Tunis zurückgekehrten PLO-Gründer sowie jüngere Politiker, wie der in israelischer Haft sitzende Marwan Barghuti und Mohammad Dahlan, ehemals Sicherheitschef im Gazastreifen.

Über zwei Stunden sprach Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zur Eröffnung des Parteitages. "Obwohl Frieden unsere Wahl ist, halten wir uns das Recht auf Widerstand, das nach internationalem Gesetz legitim ist, offen", sagte Abbas. Viele Delegierte verließen gelangweilt den Raum.

Mit Enttäuschung reagierten die israelischen Medien auf die "militanten Töne aus Bethlehem", so der Kommentar in der "Stimme Israels", dem das Plädoyer des Palästinenserpräsidenten für einen Frieden zu ambivalent ausfiel. Abbas scheint jedoch den allgemeinen Tenor getroffen zu haben. "Die Israelis wollen keinen Frieden, sondern rücken immer mehr nach rechts", meint auch Sakaria Sbeidi, einst Chef der Fatah-nahen Al-Aksa-Brigagen aus Dschenin. "Wenn sie den Siedlungsbau nicht einstellen, gehen wir zurück auf die Straße."

Das College liegt nur ein paar Dutzend Meter von der Geburtskirche Jesu Christi entfernt. Das hohe Sicherheitsaufgebot von Polizisten, die im Abstand von jeweils nur wenigen Metern entlang der Hauptstraße postiert sind, und weiträumige Straßensperren zwingen auch die ausländischen Touristen zum Fußmarsch auf den Berg. Gut 2.000 Parteidelegierte nehmen an der Konferenz teil. Die Hamas verhinderte eine Teilnahme der Fatah-Aktivisten aus dem Gazastreifen. Mehrere hundert kamen dafür aus dem arabischen Exil. Nimra Said reiste mit einer Gruppe von 20 Delegierten aus Tunesien an. Für die im Libanon geborene Palästinenserin ist es der erste Besuch in der Heimat ihrer Familie. "Ich weine und lache", resümiert sie ihre Gefühle und hofft, dass sie eines Tages in Palästina leben darf.

Unter den Delegierten sind auffallend wenig junge Leute vertreten. Die 39-jährige Rula Meeyah aus Bethlehem fällt aus dem Rahmen ihrer Mitstreiter, die mehrheitlich 55 Jahre überschritten haben dürften, was für die Nachwuchspolitiker bei den Wahlen problematisch werden könnte. Gut ein Zehntel der Kongressteilnehmer sind Frauen. "Ich möchte meine Zukunft selbst mitgestalten", begründet Rula ihr Kommen. "Einheit" sei das Wichtigste dabei, zuerst innerhalb der Bewegung und die des gesamten Volkes. Sanktionen gegen die Hamas lehnt sie ab: "Wir müssen den Dialog mit unseren Brüdern konstruktiv vorantreiben."

Beides dürfte nicht unproblematisch werden. Innerhalb der Fatah drücken gegenseitiges Misstrauen auf die Stimmung. Die Korruption, die letztlich der Partei den Wahlsieg kostete, ist nur eine Seite der Misere. Gerüchte, die vor allem die Exilfatah schürte, machen die Führung in Ramallah mit für den Tod Jassir Arafats verantwortlich. Der PLO-Chef war aus bis heute ungeklärten Gründen im November 2004 einer Krankheit erlegen. Dazu kommen das Versagen bei den Friedensverhandlungen mit Israel und die militärische Niederlage gegenüber der Hamas vor drei Jahren in Gaza.

Die seit Monaten mit ägyptischer Vermittlung geführten Verhandlungen zwischen Fatah und Hamas sollen Ende August wieder aufgenommen werden. Problematisch bei den Gesprächen ist die Neuordnung der Sicherheitskräfte, die künftig parteiunabhängig rekrutiert werden müssen. Außerdem hält die Hamas an ihrer Weigerung fest, Israel anzuerkennen.

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