Parteienexperte über Diätenerhöhung: "Bei Diäten völlig abwegige Vergleiche"
Abgeordnetengehälter kann man auch dann erhöhen, wenn die Hartz-IV-Sätze gleich bleiben, sagt Parteienexperte Martin Morlok.
taz: Herr Morlok, können es die Abgeordneten dem Volk eigentlich nie recht machen bei ihren Diäten?
Martin Morlok: Man hat den Eindruck, dass es bei Diätenerhöhungen so ist. Obwohl die Abgeordneten keineswegs üppig bezahlt sind. Ich finde die Dauerdiskusssion über die Diäten unerquicklich. Schließlich sind das Leute auf herausgehobenen Positionen, die wir gewählt haben. Die haben ein Recht auf angemessene Bezahlung.
Wieso kommt es immer zu diesen Debatten?
Ich glaube, da kommen zwei Dinge zusammen. Erstens sind die Gehälter der Abgeordneten insgesamt eine sehr übersichtlicher Betrag - da hat jeder das Gefühl, er könne mitreden, anders als etwa bei der Steuerreform oder anderen Großprojekten, wo es um viele Milliarden geht. Zweitens werden völlig abwegige Vergleiche gewählt - zum Beispiel mit Hartz-IV-Empfängern.
Wieso finden Sie das abwegig?
Man kann doch nicht sagen, Hartz-IV-Empfänger haben seit Jahren keine Erhöhung bekommen, also dürfen das jetzt die Abgeordneten auch nicht haben. Immerhin arbeiten die Volksvertreter ziemlich viel, Hartz-IV-Empfänger aber eben nicht.
Was auch ein Schicksal ist.
Ich verurteile Arbeitslose deswegen ja nicht. Ich sage nur: Es ist ein unpassender Vergleich, um Parlamentarierern ein angemessenes Gehalt zu verweigern.
Wie kommen die Abgeordneten raus aus der Zwickmühle? Sollen andere über ihre Diäten entscheiden?
Nein, das geht nicht. Gesetze werden nun mal vom Parlament gemacht. Das lässt sich nicht vermeiden - und das ist auch richtig so.
Und die Höhe der Diäten?
Auch da gibt es kein perfektes System. Die Orientierung der Diäten an den Richtergehältern wäre sicher ein geeignetes Mittel gewesen …
… ist aber gerade gestoppt worden.
Ja, leider.
Was bedeutet dieser Diätenfall für die politische Kultur?
Einerseits ist es gut, dass die Sensibilität des Parlaments für Stimmungen im Volke vorhanden ist. Andererseits ist es sehr schade, dass es wieder um das lästige Thema Diäten ging.
INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER
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