piwik no script img

Partei und Regierung in Montenegro geben auf

■ Erfolg der Demonstranten in der jugoslawischen Teilrepublik

Belgrad (afp/dpa) - Auf Druck von mehreren zehntausend Demonstranten haben die Parteiführung und die Regierung der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro am Mittwoch geschlossen ihren Rücktritt eingereicht. Nach einer Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ muß das montenegrinische Parlament, das „in Kürze“ zusammentreten soll, über das Rücktrittsgesuch des Kabinetts abstimmen. Mit dem Antrag der Parteiführung sollte sich noch am Nachmittag das für 18.00 Uhr zu einer Plenumssitzung einberufene ZK des Bundes der Kommunisten Montenegros befassen. Über die Ablösung des Staatspräsidiums will das Parlament am Freitag in einer außerordentlichen Sitzung entscheiden.

Seit dem Vortag belagern an die 50.000 Arbeiter und Studenten den Sitz des Parlaments in der Hauptstadt Titograd, um wegen der verheerenden wirtschaftlichen Verhältnisse in der kleinsten Teilrepublik Jugoslawiens den Rücktritt der Parteiführung zu erzwingen. Nachdem in der Nacht zum Mittwoch ein harter Kern von mehreren hundert Demonstranten unter freiem Himmel ausgeharrt hatte, nahm die Protestwelle im Laufe des Vormittags die Ausmaße eines Generalstreiks an. Dutzende Busse brachten Arbeiter aus den Städten der Umgebung nach Titograd, wo laut 'Tanjug‘ bereits um 11.00 Uhr rund 50.000 Demonstranten versammelt waren. Wie am Vortag forderten die Arbeiter und Studenten aus der gesamten Republik „Nieder mit den Postenschiebern“. Auf den Transparenten war zu lesen „Ihr habt das Volk verraten“.

Noch am Dienstag hatten sich die Parteiführer geweigert, vor der Menge zu sprechen. Nach einer Unterredung mit einem ad hoc gewählten Komitee der Demonstranten, denen Gewerkschafter, Aktivisten der Großbetriebe und Studentenvertreter angehörten, hatten sie erst ein ZK-Plenum für Donnerstag angekündigt. Offensichtlich ratlos angesichts der Ausweitung der Protestbewegung, entschieden sie sich für den Rücktritt.

Die Teilrepublik Montenegro, in der die Polizei im Oktober vergangenen Jahres eine erste Protestwelle niedergeschlagen hatte, ist besonders schwer von der jugoslawischen Wirtschaftskrise betroffen. Während sich die jährliche Inflationsrate um die 250 Prozent bewegt, liegt die Arbeitslosenquote bei 25 Prozent. Die Hälfte aller Unternehmen arbeitet mit Verlusten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen