Parlamentswahl in Schweden: Unbeliebte Spitzenkandidatin
Bei der Parlamentswahl am Sonntag stehen Schwedens Sozialdemokraten vor einer beispiellosen Pleite - trotz des Wahlbündnisses mit Linken und Grünen.
STOCKHOLM taz | Die schwedische Parlamentswahl am 19. September wird historisch. Entweder wird mit Fredrik Reinfeldt erstmals seit fast 100 Jahren ein nichtsozialdemokratischer Ministerpräsident im Amt bestätigt. Oder Schweden bekommt mit der Sozialdemokratin Mona Sahlin die erste weibliche Regierungschefin.
So wechselhaft wie diesmal waren die Ergebnisse der Meinungsumfragen noch nie, sagt der Staatswissenschaftler Ulf Bjerled. Vor einigen Monaten schien die rot-rot-grüne Opposition die Wahl bereits in der Tasche zu haben. Die Demoskopen signalisierten einen Vorsprung von bis zu 20 Prozent vor der konservativ-liberalen Vierparteienkoalition der Regierung. Doch aktuell liegt die Regierung klar vorn.
Erstmals treten die im "roten" Schweden jahrzehntelang auf die Regierung abonnierten Sozialdemokraten im Rahmen einer Wahlkoalition an. Mit der Linkspartei und den Grünen haben sie ein gemeinsames Regierungsprogramm vorgelegt. Man kopiert damit das Rezept, mit dem die traditionell eher zerstrittenen Parteien des Mitte-rechts-Spektrums vor vier Jahren siegreich gewesen waren. Und man baut auf ein rot-rot-grünes Modell, wie es in Norwegen und Island praktiziert wird.
Die Konservativen des Regierungschefs Reinfeldt setzen auf Wiederholung. Wie 2006 gerieren sie sich als die eigentlichen Verteidiger des schwedischen Sozialstaats und preisen sich auf ihren Plakaten sogar als "die einzige Arbeiterpartei" an. Diese Rhetorik kommt erstaunlich gut an. Vielleicht auch, weil die Regierung sich brüsten kann, Schweden vergleichsweise ungeschoren durch den internationalen Finanzcrash und die Wirtschaftskrise der letzten beiden Jahre geführt zu haben. Das Land fällt mit gesunden Staatsfinanzen und weithin positiven ökonomischen Kennzahlen positiv aus dem EU-Rahmen. Lediglich die Arbeitslosenrate, die 2006 bei 6 Prozent lag, stieg auf 8,5 Prozent. Doch spielt dies für die Popularität der Regierung eine erstaunlich geringe Rolle.
Rot-Rot-Grün hat dagegen ein Personalproblem. Mona Sahlin steht so gar nicht für den von der Oppositionsallianz proklamierten Neuanfang. Die 53-Jährige vom rechten Sozi-Flügel fiel in den 20 Jahren ihrer politischen Laufbahn und als Ministerin nicht unbedingt durch innovative Politikansätze auf. Als Oppositionsführerin verpasste sie von der Finanzkrise über Integritätsfragen bis zur Klimapolitik die besten Chancen, sich zu profilieren. Sahlin erreicht gerade die Hälfte der Popularitätsziffern eines Fredrik Reinfeldt und liegt weit hinter denen ihrer eigenen Partei. Die steuert mit einem Stimmenanteil von unter 30 Prozent auf ihr größtes Wahlfiasko seit 1914 zu.
Die Grünen dürften wesentlich erfolgreicher sein als vor vier Jahren. Die "Miljöpartiet" könnte erstmals hinter Konservativen und Sozialdemokraten drittstärkste Kraft werden und ein zweistelliges Resultat erringen. Die Grünen seien wegen ihres klaren Profils "die spannendste schwedische Partei", lobt da sogar die - sozialdemokratische - Tageszeitung Folkbladet. Die Grüne Maria Wetterstrand ist derzeit die populärste aller Parteivorsitzenden. Laut Umfragen würde Rot-Rot-Grün mit ihr als Spitzenkandidatin deutlich besser abschneiden als mit Sahlin.
Kompliziert könnte die Regierungsbildung werden, wenn die ausländerfeindlichen "Schwedendemokraten" erstmals in den Reichstag einziehen sollten. Die als Neonazi-Partei gegründeten "Schwedendemokraten" haben ihren offenen Rassismus gegenüber Migranten mittlerweile so geschickt verpackt, dass sie sich für neue Schichten wählbar gemacht haben. Bei einem knappen Wahlausgang zwischen Reinfeldt und Sahlin könnten die "Sverigedemokraterna" das Zünglein an der Waage werden.
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