: Parlamentarier–Tagung in Chile unter dem Druck der Polizei
■ Geheimpolizei weist chilenischen Ex–Senator erneut aus / Grußworte aus dem Untergrund / Grüner Ludger Vollmer kurzzeitig in Haft / Entführter Oberst meldet sich aus Geiselhaft
Santiago (afp/taz) - Die chilenischen Militärbehörden haben den ehemaligen sozialistischen Senator Erich Schnake nach seiner heimlichen Rückkehr aus dem Exil wieder ausgewiesen. Schnake wurde in der Nacht zum Montag nach Argentinien abgeschoben. Er war sofort nach dem Militärputsch 1973 festgenommen worden und hatte über vier Jahre in Gefängnissen und Konzentrationslagern verbracht. 1977 wurde er für 20 Jahren verbannt. Der Politiker, der am Tag des Putsches über den Regierungssender zum Widerstand aufgerufen hatte, war vor wenigen Tagen aus dem Exil zurückgekehrt und am Samstag auf der „Zweiten Parlamentarier–Versammlung für die Demokratie in Chile“ in Santiago überraschend in der Öffentlichkeit aufgetreten. Wenige Stunden später wurde er beim Verlassen des Tagungsgebäudes festgenommen. Auf der Parlamentarier–Tagung, an der hundert Abgeordnete aus 25 Ländern, darunter auch eine sechsköpfige Delegation aus der BRD, sowie gut hundert chilenische Ex–Abgeordnete teilnahmen, machten noch zwei weitere Politiker aus der Zeit der Allende– Regierung ihre Aufwartung. Der ehemalige kommunistische Abgeordnete Luis Gustavino, heute ZK–Mitglied seiner Partei, jüngst aus dem Exil zurückgekehrt, richtete ein Grußwort an die Anwesenden, um danach in den Untergrund abzutauchen, aus dem kurz darauf Leopoldo Ortega, ebenfalls ehemaliger kommunistischer Abge ordneter, auftauchte. Er hielt sich seit 1984 in Santiago versteckt. Noch im Tagungshotel wurde er von Geheimpolizisten festgenommen, dann aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Ebenfalls für kurze Zeit wurde am Sonntag der bundesdeutsche Abgeordnete der Grünen, Ludger Vollmer, festgenommen. Er befand sich auf dem Rückweg vom Gefängnis, wo er Colodomiro Almeyda besuchen wollte, aber nicht eingelassen wurde. Als er einen Polizeibus - Marke Mercedes Benz - fotografierte, schritten die Carabineros ein. Almeyda, ehemaliger Außenminister der Regierung Allende und heute Generalsekretär der Sozialistischen Partei, war im März heimlich aus seinem Ost–Berliner Exil über die Andenkordillere in seine Heimat zurückgekehrt. Im Gefängnis wartet er nun auf seinen Prozeß. Von ehemals über 3.200 Chilenen dürfen zur Zeit noch etwa 450 nicht ins Land zurückkehren. Der vor einer Woche entführte chilenische Oberst Carlos Carreno hat ein erstes Lebenszeichen gegeben. Die Guerilla–Organisation „Patriotische Front Manuel Rodriguez“ (FPMR), leitete der Presse am Sonntag ein neues Kommunique zusammen mit einem handschriftlichen Brief ihres Gefangenen zu: „Wir können das Volk nicht weiterhin unterdrücken und bedingungslos ein Regime unterstützen, das uns nur benutzt, um sich zum eigenen persönlichen Vorteil an der Macht zu halten“, schrieb der Offizier.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen