■ Pariser Platz: Bauen per Satzung: Verordnete Kulissen
Er hat noch immer einen klangvollen Namen, und doch ist er eher als Adresse denn als urbaner öffentlicher Raum im Bewußtsein der Berliner und der Besucher aus aller Welt verankert: der Pariser Platz. Senatsbaudirektor Hans Stimmann hält ihn für so wertvoll, daß er ihm als einzigen Ort in der gesamten Stadt einen Entwurf des Bebauungsplans oktroyierte. Einem Ort wohlgemerkt, dessen historische Spuren bis auf das – als MTV-Kulisse und Symbol der überwundenen Teilung Deutschlands vereinnahmte – Brandenburger Tor, die Ruine der Akademie der Künste und die rekonstruierten Rabatten am Nord- und Südrand des Platzes verschwunden sind. Mit der umstrittenen Satzung soll aber keineswegs die Grundlage für einen originalgetreuen Wiederaufbau der zerstörten Bauten geschaffen werden (auch wenn dies einige unverbesserliche Revisionisten gerne sähen); sie kann allenfalls „die schlimmsten Wucherungen der Architektur verhindern“ (Stimmann). Mehr aber auch nicht, möchte man anfügen.
Denn an keinem Ort der Welt kann eine Gestaltungssatzung gute Architektur gewährleisten. Im Gegenteil: Je detaillierter sie formuliert wird, um so mehr engt sie die Gestaltungsmöglichkeiten ein. Nicht nur die von opportunistischen Investoren-Architekten („In welchem Stil hätten Sie's denn gerne?“), sondern auch die von anerkannten Meistern ihres Fachs wie Günter Behnisch, der die Pläne für den Neubau der Akademie gezeichnet hat. Wenn Stimmann konstatiert, der Akademie-Entwurf sei „ein ausgezeichnetes Projekt, aber nicht vereinbar mit der Gestaltungssatzung“, gleichzeitig aber zugeben muß, daß er den ungeliebten Entwurf von Rüdiger Patzschke für das Hotel Adlon nicht verhindern kann, dann müßte ihm klar werden, daß etwas mit der Satzung nicht stimmt. Damit keine Mißverständnisse aufkommen: Stimmanns Absichten sind ehrbar. Doch die Satzung geht zu weit, weil sie nicht nur die Kubatur und die maximale Höhe der Bauten festlegt, sondern kompromißlos Stein- oder Putzfassaden und Gebäudesockel vorschreibt und dadurch ein einheitliches Erscheinungsbild der Bauten erzwingt, das es so am Pariser Platz nie gegeben hat.
Bei dem Streit um das Bauprojekt der Akademie wurde bisher ein wesentliches Kriterium übersehen: Die Akademie wird das einzige uneingeschränkt öffentliche Gebäude am Pariser Platz sein. Anders als die drei Botschaften und die Dresdner Bank muß sie keine Sicherheitsbelange berücksichtigen, folglich will sie sich nicht hinter abweisend steinernen Fassaden verschanzen. Im Gegenteil: Die Akademie will sich zur Öffentlichkeit und damit zum Platz hin weitgehend öffnen. Sie will sich nicht – auf einen Sockel gehoben – vom Geschehen auf dem Platz distanzieren. Die Fassade soll transparent sein, aber nicht etwa als große Glasscheibe in Erscheinung treten, sondern sich aus mehreren Schichten zusammensetzten: Jalousien, Glas, Stahlprofile, Vorhänge, bewegliche Elemente. Keine leblose steinerne Maske also, sondern eine veränderbare lebendige Fassade, welche den Platz klar begrenzt und ihn zugleich in die Räume der Akademie einbezieht.
Nachdem das von Axel Schultes und Charlotte Frank geplante Bürgerforum im Zentrum des Spreebogens vom Tisch zu sein scheint, ist der Pariser Platz der einzige klar definierte öffentliche Raum inmitten des „Sondergebiets Bundestag“. Über seine inhaltliche Bestimmung (Nutzung, Verkehr) nachzudenken, statt vorab neue Kulissen festzuschreiben – darin liegt die wesentliche Aufgabe für die nächsten Monate. Oliver G.Hamm
Der Autor ist Redakteur der „Bauwelt“
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