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Paris schickt „Eingreiftruppe“ los

■ Staatsautorität über Neukaledonien soll gesichert werden / Überseeminister fordert Verbot von Unabhängigkeitsorganisation / Kanaken fordern neues Referendum / Insgesamt 22 Geiseln

Noumea/Paris (afp) - Zu einer neuen Eskalation der Gewalt ist es in dem französischen Überseegebiet Neukaledonien gekommen, wo kanakische Separatisten am Mittwoch weitere acht Personen als Geiseln genommen haben. Die französische Regierung entsandte am Mittwoch abend 250 Marineinfanteristen und 90 Gendarmen zur Verstärkung auf die südpazifische Inselgruppe, wo seit einer Woche schwere Spannungen herrschen. Auf der Insel Mare errichteten bewaffnete Melanesier Straßensperren, amtlichen Angaben zufolge fielen auch Schüsse. Einer der am Mittwoch entführten Gendarmen, der Chef der Anti–Terror–Einheit GIGN, wurde von den Entführern unterdessen wieder freigelassen, um Verhandlungen über das Schicksal der 22 weiteren Geiseln zu vermitteln, die im Norden der Insel Ouvea festgehalten werden. Überseeminister Bernard Pons forderte am Donnerstag ein Verbot der kanakischen Unabhängigkeitsorganisation FLNKS. Premierminister Chirac soll am heutigen Freitag eine entsprechende Entscheidung fällen. Gendarmerie–Hauptmann Legorjus, Chef der Eliteeinheit GIGN, wurde zusammen mit sieben weiteren Gendarmen und einem Staatsanwalt verschleppt, als er versuchte, mit den Geiselnehmern zu verhandeln. Wenige Stunden später sicherten ihm die Entführer „Bewegungsfreiheit“ zu, um Kontakte mit Regierungsvertretern herzustellen. Legorjus ist seither mindestens einmal in die Hauptstadt Noumea geflogen, um mit dem Oberbefehlshaber der auf Neuka ledonien stationierten Streitkräfte und dem Staatsanwalt von Noumea, die zu Verhandlungen bevollmächtigt sind, zu verhandeln. Die Geiselnehmer fordern im Gegenzug für die Freilassung den Abzug der Sicherheitskräfte aus Ouvea und die Ernennung eines Vermittlers durch die Staatsführung, um Verhandlungen über ein erneutes Neukaledonien–Referendum zu führen. Im September vergangenen Jahres haben sich bei einer Volksbefragung über die nationale Zugehörigkeit Neukaledoniens über 98 Prozent der Teilnehmer für einen Verbleib bei Frankreich ausgesprochen. Die französische Regierung bekräftigte nach einer Dringlichkeitssitzung des Rats für Innere Sicherheit am Mittwoch abend ihre Entschlossenheit, die Staatsautorität auf Neukaledonien zu gewährleisten. Wegen der Behinderung des Wahlverlaufs durch den Aufruhr beim ersten Durchgang der Präsidentenwahlen hat der französische Verfassungsrat am Mittwoch abend die Wahlen von drei Wahllokalen Neukaledoniens annulliert.

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