■ Tansu Çiller hält sich mit Hilfe der Faschisten an der Macht: Paragraphenschwindel
Der machtbesessenen Blondine ist jedes Mittel recht – Hauptsache sie erhält sich ihr Ministerpräsidenten-Amtsstübchen in der türkischen Hauptstadt Ankara. Nach dem Auseinanderbrechen der Koalition mit den Sozialdemokraten paktiert Tansu Çiller heute mit dem Faschistenführer Alparslan Türkeș. Der Deal ist einfach und klar – die Abgeordneten der „Nationalistischen Aktionspartei“ stimmen mit Ja für die Regierung. Als Lohn erhalten militante Faschisten die Schlüsselpositionen im Erziehungsministerium und strategische Polizeipräsidenten-Ämter. „Führer“ Türkeș machte sich in den siebziger Jahren einen Namen, als seine „Grauen Wölfe“ linke Studenten und Gewerkschaftsführer auf den Straßen killten. Wenn die Schreibtischtäter von einst heute Staatsmänner sind, warum sollen dann nicht die Mörder von einst Polizeibeamte werden? Wo gerichtlich verurteilte Bombenleger es in ihrer Karriere bis zum Gouverneur bringen können, ist eben alles möglich.
„Im Südosten wird Blut fließen“, kündigt Ex- Oberst Türkeș vor den Fernsehkameras an. Die berüchtigten Anti-Guerilla-Einheiten in Kurdistan setzen sich ohnehin aus Türkeș-Militanten zusammen. Die feine Wirtschaftsprofessorin Çiller, die sich in der Pose als Feldherrin gefällt, gibt jetzt zu erkennen, daß ihr faschistische Polizeipräsidenten lieber sind als sozialdemokratischen Hampelmänner, die ihr als Menschenrechtsminister dazwischenquatschen.
Trotz aller Unkenrufe hat die Mannsfrau es geschafft, ein Kabinett zu bilden. Vor den Wahlen im kommenden Jahr will die Kriegsherrin sich mit den Lorbeeren schmücken, daß nur sie und niemand anders die Leistung vollbringen konnte, die Türkei in die Europäische Zollunion zu hieven. Nur eine Hürde ist noch zu nehmen – die Bestätigung des türkischen Beitritts durch das Europäische Parlament, das sein „Ja“ von konkreten Demokratisierungsschritten abhängig gemacht hat. Zumindest die Abschaffung des Paragraphen acht des Anti-Terror-Gesetzes, der kritische Intellektuelle hinter Schloß und Riegel bringt, stellen die Europäer als Bedingung für die Aufnahme der Türkei in die Zollunion. Dem Faschistenführer Türkeș hat Çiller dagegen zugesichert, daß der Paragraph acht erhalten bleibt. Wie das Unvereinbare vereinbaren? Mit Lug und Trug – man schaffe das Etikett „acht“ ab und packe denselben Inhalt in einen anderen Strafparagraphen. Die Europäer werden es fressen, hofft die Vollblutpolitikerin. Ömer Erzeren
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen