: „Panzerwald“ zu Borkenwald
Seit 14 Jahren kämpft eine Bürgerinitiative für den Käfertaler Wald und gegen die US-Militärs/ Jetzt scheint ein erster Erfolg möglich ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt/Main (taz) – „Tanks out!“ – und die Yanks gleich mit. Der Käfertaler Wald an der schnurgeraden Grenze zwischen Hessen und Baden-Württemberg soll wieder den (Borken?)Käfern und den Wildschweinen gehören – und den Menschen, die seit jetzt 14 Jahren für den Erhalt des Waldes und gegen die US-Army kämpfen. „Panzerwald“ nennt der 43jährige Wilhelm Stamm aus Viernheim das ehemalige Waldökosystem, weil die III. US-Brigade aus Mannheim, Nato-Verbände aus der gesamten Region und auch die Bundeswehr das Landschafts- und Wasserschutzgebiet seit Jahrzehnten als Panzer- und Infanterieübungsplatz nutzen. Inzwischen drohen die riesigen gerodeten Flächen zu versteppen. Der Waldboden zwischen Mönchbruchwald und der Startbahn West des Rhein- Main-Flughafens ist von den zigtonnen schweren Kettenfahrzeugen verdichtet, das heißt, alles Leben ist herausgepreßt worden, die Humusschicht ist weitgehend abgetragen. „Der Wald als solcher ist in Auflösung begriffen“, schimpft Wilhelm Stamm. „Mehr als 30 Prozent der gesamten Ex-Waldfläche hart am Rande der Industrieregion Mannheim/Ludwigshafen sind inzwischen ge- und zerstört.“ Was übriggeblieben sei, müsse deshalb unbedingt erhalten bleiben. Das sei neben der „Waldwiederbelebung“ das Hauptziel der BI-Panzerwald.
Rund hundert BürgerInnen aus der Friedens- und Ökologiebewegung bilden nach 14 Jahren Auseinandersetzung den „harten Kern“ der „zum Widerstand gegen die Militärs bereiten Bevölkerung“ (Stamm). Mit viel Phantasie und regelmäßigen politischen Interventionen gehen sie Generälen und Politikern möglichst häufig auf die Nerven. Jetzt scheint ihre Geduld und Zähigkeit erstmals belohnt zu werden: nachdem sich der hessische Landtag bereits im Sommer 1992 parteiübergreifend für ein Ende der militärischen Übungen ausgesprochen hatte, fordern in Bonn jetzt auch die SPD-Abgeordneten Heidemarie Wieczorek- Zeul und die FDP-Abgeordneten Gisela Babel: Schluß mit der militärischen Nutzung des grenzüberschreitenden „Panzerwaldes“. Zwar hat der Verteidigungsausschuß am 11. November den von hessischen und baden-württembergischen Abgeordneten gezeichneten Gruppenantrag abgelehnt. Doch die Bürgerinitiative ist sicher, daß der Vorstoß der beiden Parlamentarierinnen in den zivilen Ausschüssen des Bundestages eine Mehrheit bekommt und abschließend auch eine Mehrheit im Plenum findet.
Eine Mehrheit im Bundestag wäre ein wichtiger Schritt, reicht aber nicht aus. Der Beschluß müsse von der Bundesregierung in Verhandlungen mit den US-Amerikanern schließlich auch ganz praktisch umgesetzt werden, sagt Stamm. Und da liege der Hund politisch begraben: „Wahrscheinlich wird die abgestimmte Vorlage bei Rühe in eine Schublade kommen und dort auch liegen bleiben, weil die Bundesregierung Angst vor den Konsequenzen hat.“ Schließlich warteten Bürgerinitiativen in der Rhön und der Pfalz nur darauf, „ihre“ Militärs über die gleiche politische Schiene aus den dortigen Wäldern vertreiben zu können.
Vor Ort in der Region Mannheim/Ludwigshafen wären alle Bürgermeister und Landräte heilfroh, wenn die „Amis“ möglichst bald den Bettel packen würden. Schon heute wird für die Sanierung der Militäraltlasten in der Region ein dreistelliger Millionenbetrag kalkuliert. Ausgelaufenes Dieselöl und Schmierstoffe aller Art, Schwermetalle und Übungsmunition haben zu einer großflächigen Verseuchung des Trinkwasserreservoirs für Hunderttausende von Menschen in der Region geführt.
Seit die Militärs im Wald auch noch eine Panzerwaschanlage gebaut haben, ist eine neue Gefährdung hinzugekommen. FCKW- verschmutztes Wasser bewege sich auf die Grundwasser-Pumpstationen der Wasserwerke zu, erklärt Stamm. Ökologisch fatal, aber vielleicht ein weiterer politischer Hebel: das hessische Umweltministerium hat jedenfalls die US-Militärs nach Wiesbaden bestellt und auf die Einhaltung des deutschen Wasserschutzrechts gedrängt. Falls der zuständige Regierungspräsident in Darmstadt und Umweltminister Joschka Fischer (Die Grünen) in Zusammenarbeit mit dem Land Baden-Württemberg daran festhalten, daß geltendes Wasserrecht auch für Soldaten auf dem Militärgelände Viernheimer/Lampertheimer Wald gilt, müßten die Hessen die Militärs nämlich eigentlich rausschmeißen. Der Haken – das Land Hessen hat letztlich gar keine Handhabe, die „Yanks“ wirklich zur Einhaltung landeshoheitlicher Verordnungen zu zwingen.
Die Bürgerinitiativler sind es gewohnt, dicke Bretter zu bohren. „Wenn sich die Amerikaner keinen Deut um die Verordnung kümmern, werden wir diese formaljuristisch exzellente Position für Aktionen des zivilien Ungehorsams nutzen können“, kündigt Stamm schon mal an.
Anfang Dezember hat die BI die Parole ausgegeben, „raus in den Wald“. Das Spektrum der geplanten Aktionen reicht von „Manöverinspektionen“ über Blockaden von Zufahrtsstraßen bis hin zur gemeinsamen Rekultivierung militärisch genutzter Flächen. Der Viernheimer Bürgermeister Hofmann soll zudem nach Washington reisen. Dort könne der Magistrale dem demokratischen Senator Nunn vom Verteidigungsausschuß und dem neuen Verteidigungsminister der Clinton-Regierung von den Problemen im Panzerwald berichten.
Vor Ort wenden sich die Bürgerinitiativler schon heute an die amerikanischen Soldaten. In einem von BIler Eckbert Eckrich entworfenen Flugblatt appelliert die „Aktionsgemeinschaft gegen den Panzerwald“ an die GIs in den „Tanks“: „This forest which acts as an air filter in the Rhine-Neckar basin is rapidly being turned into an ecological wasteland. The next time you're sent into the forest for training think about it. You are going home eventually – other folks live here!“
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