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Pannenserie im Atommülllager AsseDer Endlager-Gau

Ein Statusbericht bestätigt, dass das frühere Bergwerk undicht ist. Umweltminister Gabriel sieht Sicherheit des gelagerten Atommülls als "nicht nachgewiesen".

Ein Bergmann kippt in 750 Meter Tiefe in der Schachtanlage Asse kontaminierte Lauge in einen Sammelbehälter. Bild: ap

BERLIN/HANNOVER taz Nach jahrzehntelanger Schlamperei und Vertuschung steht im Atommülllager Asse offenbar ein Betreiberwechsel bevor. Nach der Vorstellung eines neuen Statusberichts erhob Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) schwere Vorwürfe gegen die bisherigen Betreiber und Aufsichtsbehörden. "Sie können sagen, dass die Sicherheit nirgends nachgewiesen ist", sagte Gabriel. Asse sei "die problematischste kerntechnische Anlage in Europa".

Der bisherige Betreiber, das dem Bundesforschungsministerium unterstellte Helmholtz-Zentrum, sei lange Zeit ungenehmigt mit radioaktiven Stoffen umgegangen, habe Dokumentations- und Strahlenschutzanweisungen verletzt und die Behörden unzureichend informiert. Es sei ein "unglaublicher Vorgang", dass bereits im Jahr 1967 Wasservorkommen in der Asse bekannt gewesen seien, sagte Gabriel. "Es gab nie ein sicheres Endlager Asse, sondern es wurden bewusst Informationen zu Laugenzutritten unterdrückt."

Bei einem Treffen zwischen Gabriel, Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) und dem niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) soll am Donnerstag über neue Zuständigkeiten entschieden werden. Bisher untersteht Asse dem Bergrecht, sodass das niedersächsische Bergbauamt für die Genehmigung und das Landesumweltministerium für die Aufsicht zuständig sind. Grüne, Linke und FDP forderten gestern, das Endlager an das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zu übertragen, das dem Bundesumweltministerium untersteht. Auch Gabriel deutete an, dass er dies für eine gute Lösung hielte.

Aus dem BfS hieß es, man sei bereit, die Regie in der Asse zu übernehmen. Präsident Wolfram König sagte: "Sollte die politische Entscheidung sein, dass die Asse zum atomaren Endlager deklatiert wird, sieht sich das BfS in der Pflicht." Selbst der Sprecher des Helmholtz-Zentrums als bisheriger Betreiber sagte: "Wir sind gar nicht böse drum, wenn die Asse einen anderen Betreiber bekommt." Keine Stellungnahme zu den Vorwürfen des Berichts und den möglichen Konsequenzen gab es aus dem Ministerium von Annette Schavan. Dort verwies man lediglich auf das Spitzengespräch am Donnerstag, von dem eine "richtungsweisende Entscheidung" erwartet werde.

Als Konsequenz aus dem Asse-Debakel befürchtet Gabriel große Probleme bei der weiteren Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll. "Für die Endlagerdebatte ist das der psychologische GAU", also der größte anzunehmende Unfall. Die Glaubwürdigkeit der Politik an möglichen Endlagerstandorten sei nun massiv beschädigt, sagte Gabriel. "Uns traut jetzt doch keiner mehr über den Weg."

Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, forderte als Konsequenz aus den Asse-Problemen "eine ergebnisoffene Endlagersuche ohne Festlegung auf einen bestimmten Standort". Hans-Kurt Hill von der Fraktion der Linken plädierte für einen beschleunigten Atomausstieg.

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10 Kommentare

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  • BG
    Bürger G.

    @Gram: Die Entlagerung radioaktiver Abfälle ist Aufgabe des Bundes: das wurde vor Ewigkeiten vertraglich so festgelegt! Jedes Bundesland hat sogenannte Landessammelstellen, die ihrerseits ebenfalls den Müll irgendwann mal in ein Endlager überführen müssen. Also nocheinmal: Es muss mit oder ohne Kernkraft ein Endlager geben. Mag sein, dass der Müll der Kernkraftwerke (hochrad. Müll: ca. 300 m³ für alle KKW über die gesamte Laufzeit) mehr ist, als der Aus Medizin, physikalische Grundlagenforschung, Materialprüfung, sonstige Forschung, aber die grundsätzliche Gefahr, die von dem Müll ausgeht ist gleichgroß ob mit oder ohne Kernkraft: deshalb muss es ein SICHERES Endlager geben und da ist es dann im Prinzip egal, ob viel oder weniger drin liegt! ("kleinere Endlager gleich geringeres Risiko" stimmt eben so nicht, das Risiko bleibt gleich)

     

    Übrigens ist es mir sehr zu wieder in Links und Rechts zu denken: Besonders, wenn man als CDUler beschimpft wird, denn der bin ich mit Sicherheit nicht: nur leider muss man sagen, dass die CDU und die FDP in Sachen Kernenergie, "leider" objektiver sind! Jemanden "verdrehten Geist" zu nennen, weil er eine andere Meinung hat, ist sehr einfach und gefährlich, das hatten wir in der Geschichte Deutschlands schon!

  • G
    Gram

    Dann möchte ich mal wissen wie viel Prozent des Atommülls tatsächlich aus der Medizin und der Forschung kommt. Und wieviel Atommüll aus der Forschung ist nicht für Atomkraftverbesserung genutzt worden... Ich weiß es nicht, ich vermute aber, dass ein Atomkraftwerk dennoch wesentlich mehr

    Atommüll produziert... Sprich ohne Atomkraftwerke weniger Müll und somit kleinere Endlager gleich geringeres Risiko...

     

    Und die Asse wurde doch nicht von dem Staat verwalten, sondern von einem privaten Betreiber in München, der geschludert hat. Und darum soll der

    Staat in die Bresche springen und das alles dem

    Strahlenschutzministeriums untestellt werden, da dann die Auflagen wesentlich strenger sind...

     

    Ach, und außerdem finde ich ihr sinnloses Gebashe von Linken und anderen Personen linksseits der CDU irgendwie... niedlich

    Man merkt doch bei jedem Kommentar, dass dahinter ein verdrehter Geist steckt. Man kann ja für Atomkraft sein, aber in dieser offensichtlichen Penetranz? Schon sehr lustig

  • BG
    Bürger G.

    Ohhh Gott!

     

    und nocheinmal: In der Asse liegen AUCH Abfälle aus der Medizin und der Forschung! Das bedeutet, wir brauchen auch für diese Radioaktiven Stoffe ein Endlager! Was hat also der Ausstieg aus der Kernkraft mit einem schlechten Endlager zu tun?

     

    Dass in Asse solche Probleme auftauchen zeigt, "dass der Staat (dessen Aufgabe die Endlagerung Radioaktiver Abfälle ist) es nicht hinbekommt! Aber, wenn wir jetzt sagen, dass wir aus der Kernenergie austeigen müssen, weil wir kein Endlager haben, dann muss man sich doch auch die Frage stellen dürfen, weil es selbst OHNE die Kernkraft auch Radioaktive Abfälle gibt und weiter gibt, was dann mit diesen Abfällen in Zukunft geschehen soll? Oder, man schafft auch diese Quellen für Radioaktivität ab! (Und das will keiner, denn wir brauchen sie in der Medizin und in der Forschung!!!!)

     

    Sorry, falls ich die SED-Wähler unter Euch als "Dumm" hingestellt haben sollte, Dummheit ist ja nicht gleich ideologische Verbortheit! ;-)

  • ST
    Si Tacuisses

    @ Bürger G.

     

    Für so blödes Geschwätz würde ich sogar Schüler in der Mittelstufe durchfallen lassen. Und das von einem erwachsenen Menschen...

     

    Si tacuisses

  • RL
    Rüdiger Lange

    Erinnere ich mich richtig, dass Herr Gabriel einmal Ministerpräsident von Niedersachsen war?

  • A
    Anne

    @ Bürger G: Bei Ihrem Geschwätz kommt es einem fast so vor, als haben Sie bei einer medizinischen Behandlung zu viel radioaktive Strahlung abbekommen (im Gehirn scheint da was kaputtgegangen zu sein). Davon abgesehen beweisen Sie - erneut - Ihre bodenlose Pseudo-Schlauheit.

     

    Warum glauben z. B. sind denn die Grenzwerte beim Röntgen in den letzten 50 Jahren sehr drastisch herabgesetzt worden? und Richtlinien eingeführt worden, dass sich die Leute nicht zu oft röntgen lassen sollen u.s.w.? Und warum glauben Sie sollten es sich Ärtztinnen mehrmals überlegen, bevor sie jmd. eine Therapie verschreiben, die mit radioaktiver Strahlung verbunden ist (Abwägung, welches Übel das evtl. Gerigere ist) - ich hoffe ja für die Patient_innen, dass Sie kein Arzt sind.

     

    Wer hier zu den dummen Menschen in dieser Frage gehört ist jedenfalls offenkundig!

  • V
    vic

    "...Es sei ein "unglaublicher Vorgang", dass bereits im Jahr 1967 Wasservorkommen in der Asse bekannt gewesen seien, sagte Gabriel..."

     

    Seit 41! Jahren spielt jemand Gott mit Assen. Jetzt bin ich gespannt, ob alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Obwohl für dieses Verbrechen keine angemessene Strafe existiert. Und ob dem dummen Geschwätz mit der sicheren Atomkraft und dem Ausstieg aus dem Ausstieg nicht langsam die fadenscheinigen Argumente ausgehen.

    Die Linke und die Grünen in die Umweltministerien, Clement rauswerfen, und:

    Schluss mit Atomkraft. JETZT!

  • A
    Antek

    Die Situation in Asse, lange vertuscht und nun doch endlich von der Bundesregierung bestätigt, zeigt erneut wie fahrlässig in Deutschland mit dem Problem der Atommüllendlagerung umgegangen wird!

    Angesichts solch eklatanter Mängel - nicht nur, dass lange bekannt war, dass Asse sich gar nicht erst als Endlager geeignet hätte, nein, es wurden gar lange klare Nachweise von lokalen Umweltorganisationen ignoriert - ist es grob fahrlässig wie hirnverbrannt, neue Atomkraftwerke und längere Laufzeiten für alte, abgewrackte Meiler zu fordern.

    Warum es außerdem kein EU weites Reglement gegen den Neubau von Atomkraftwerken gibt, ist mir ebenfalls schleierhaft: Wenn in Brüssel sogar Dinge wie Gurkengrößen, Möhrenneigungswinkel und genau einzuhaltende Dezibelzahlen während der Mittagsruhe festgelegt werden, die dann europaweit gültig sind, warum gelingt es dann nicht,schrittweise flächendeckend auf erneuerbare Energien umzuschalten?

  • BW
    bernhard wagner

    Bärbel Höhn hat völlig Recht - und eine Energiewende - nein eine Energierevolution ist längst höchst überfällig.

     

    Jeden Tag scheint auf Deutschland ausreichend Sonne, um mit modernen Solaranlagen auf ca. 20 % der Siedlungs- und Verkehrsflächen 100 % des Bedarfs and elektrischer Energie zu decken (für Nachtstrom könnte die Landwirtschaft in Biogasanlagen den gesamten Bedarf decken, sogar bei Verringerung der Tierhaltung).

     

    Auch im Winter gilt das, v.a. bei Gebäudesanierungen zu Niedrig- oder Nullenergie-bauweise

     

    - und dabei sind Wasserkraft, Windkraft, Wellenkraft, Geothermie und Effizienzsteigerungen / Einsparmöglichkeiten (Rückgewinnung von Energie bei Bremsvorgängen von Schienenfahrzeugen etc.) noch gar nicht berücksichtigt;

    auch nicht mögliche Energieerzeugung in Nordafrika (mögliche Solarkraftwerke in Tunesien etc.), zumal solche Abhängigkeiten (Stromleitungen durchs Mittelmeer etc.) wegen Terroranschlagsgefahren etc. durchaus riskant sind - wie heute schon bzgl. Atomanlagen oder großen Erdöltanks etc.

  • BG
    Bürger G.

    Zitat taz: "Hans-Kurt Hill von der Fraktion der Linken plädierte für einen beschleunigten Atomausstieg"

     

    An dieser Aussage sollten die frustrierten SED,PDS,die Linke Wähler endlich merken, welche DUMMEN Menschen sie da wählen: Wir betreiben in Deutschland nicht nur Endlager für Radioaktive Reststoffe aus Kernkraftwerken (die wir deshalb brauchen, weil Grüne und SPDler die Wiederaufbereitung und die Brutreaktoren verhindert haben) sondern auch aus der Forschung und vor allem aus der Medizin!!!!

     

    Sollten wir jetzt auch aus der Medizin aussteigen?

     

    ...ach so, Dumme Menschen glauben ja es gäbe gute und böse radioaktive Strahlung ;-)