Panne bei den Paralympics: Siegerin um Medaille gebracht

Weil dem Paralympischen Komitee ein schwerer Fehler unterläuft, muss die Kanadierin Diane Roy ihre Goldmedaille zurückgeben und zu einem Wiederholungsrennen über 5.000 Meter antreten.

Massenkarambolage im 5000-Meter-Finale: Die Wettkampfrichter ließen trotz Protest eine Siegerehrung zu. Bild: rtr

Seit Jahren schon kämpft der Behindertensport um die Anerkennung als Leistungssport. Man mag nicht mehr belächelt werden. Der große Trainingsaufwand, den Teilnehmer der Paralympics betreiben, soll endlich dauerhaft ins Bewusstsein der Bevölkerung rücken. Trainingslager, Lehrgänge, Anti-Doping-System - die Strukturen der behinderten Athleten haben längst olympisches Format angenommen. In Deutschland sind jetzt sogar zwei hauptamtliche Trainer beim Verband angestellt. Doch ausgerechnet das Internationale Paralympische Komitee (IPC) hat der Glaubwürdigkeit der Entwicklung mit einer einmaligen Panne in der Paralympics-Geschichte einen Bärendienst erwiesen.

Am Dienstagabend hatte die Kanadierin Diane Roy Gold über 5.000 Meter der Rollstuhlfrauen gewonnen. Dachte sie. Längst war die Nationalhymne gespielt, die Flagge mit dem Ahornblatt wieder eingeholt, und Roy posierte mit der Medaille um den Hals für die Fotografen. Auch die zweitplatzierte Shelly Woods aus Großbritannien strahlte in die Linsen. Das Lachen verging ihnen relativ schnell, als der Vorsitzende der Athletenkommission, Chris Cohen, sie zur Seite nahm. "Im Interesse der Fairness haben wir uns entschlossen, dass Rennen zu wiederholen", teilte Cohen den Frauen mit.

Diane Roy war auch einen Tag nach der Entscheidung noch aufgewühlt. "Das ist doch lächerlich. Wollen sie jetzt jedes Rennen neu ansetzen, in dem ein Unfall passiert", sagte sie. Das IPC kam mit seiner Entscheidung einem Protest nach. Australien, die USA und die Schweiz hatten im Zeitlimit von 30 Minuten nach Ende des Rennens gegen die Wertung protestiert, weil es eingangs der letzten Runde zu einer Massen-Karambolage gekommen war und zahlreiche Athletinnen um ihre Medaillenchance gebracht wurden. Automatisch hätte das Technical Information Center (TIC) Alarm schlagen und die Siegerehrungen unterbinden müssen. Doch niemand gab die Nachricht über den laufenden Protest weiter. 15 bis 20 Trainer aus allerlei Nationen hätten wild durcheinander schreiend vor den Mitarbeitern des TIC gestanden. Die Mitarbeiter seien "von der Situation überwältigt" gewesen, wie Cohen erklärt. Infolgedessen sei es zu einem "Kommunikationsproblem" und "einem Fehler" gekommen. Arbeitsschritte seien "in der falschen Reihenfolge" ausgeführt worden. Die Siegerehrung begann.

Das IPC entschuldigte sich noch am gleichen Abend bei den Verbänden und den Sportlern, rechtfertigte aber seine Entscheidung. Sechs Athleten waren um ihre Chancen gebracht worden, weil die Schweizerin Edith Hunkeler den Unfall provoziert hatte. Das Rennen wird am Freitag noch einmal stattfinden, ohne die Schweizerin, die disqualifiziert wurde. Für die Kanadierin Roy bedeutet es, dass ihr ganzer Zeitplan durcheinander geworfen wird. Sie startet noch über 400, 800, 1.500 Meter und beim Marathon. Jetzt muss sie ein zusätzliches 5.000-Meter-Rennen bestreiten, just an dem Tag, an dem auch das 400-Meter-Finale stattfindet.

Die peinliche Panne ist nicht das einzige Ärgernis, das die IPC auf seine Kappe nehmen muss. 23 Athleten haben nach ihrer Anreise ein Startverbot erhalten, weil sie nachträglich entweder als nicht behindert eingestuft oder ihre Startklassen wegen mangelnder Teilnehmerzahl kurzfristig aus dem Programm gestrichen wurden. Ohne Wettkampf flogen sie zurück nach Hause. "Man muss ein einheitliches System schaffen. Das Reglement ist ein Buch mit sieben Siegeln", fordert der deutsche Chef de Mission, Karl Quade.

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