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■ Pampuchs TagebuchDer Hauptfeind aus dem Wörterbuch

„Spam“ ist ein Begriff, den mein sonst so zuverlässiges „New English – German Dictionary“ der TU-Dresden, das ich aus dem Internet habe (koora@inf.et.tu-dresden.de), nicht kennt. Mein braver zweibändiger Langenscheidt von 1991 weiß da schon besser Bescheid. Spam ist eine TM (trade mark), gebildet aus spiced ham, und es handelt sich dabei um Dosenfleisch, das aus gewürztem und kleingeschnittenem Schinken besteht. Von verschiedenen USA-Besuchen weiß ich, dass dies eine ziemlich scheußliche amerikanische Variante von Frühstücksfleisch ist, die aus irgend einem Grunde in gewissen Kreisen eine Art Kultstatus besitzt. Das „Langenscheidt Dictionary of Slang“ wiederum weiß, dass das Wort 1939 entstand (zu der Zeit hat man Schinken wohl erstmals in eine Dose eingesperrt). Es wird in allerlei Abwandlungen als abwertender Begriff verwendet, etwa für bestimmte Lokomotiven (spam can) und für gewisse Leichtmetall-Flugzeuge. Mein Freund E. weiß, dass „to spam“ inzwischen auch als Verb gebraucht werden kann. Und zwar keineswegs für eine irgendwie geartete Beschäftigung mit Dosenschinken, sondern – wie er auf unserem letzten Treffen zur Gestaltung unserer neuen Schwabinger Website erklärte – für den Versuch, durch wiederholtes Anklicken einer, vorzugsweise der eigenen, Site den Eindruck zu erwecken, sie werde ganz oft besucht. Das könne für kommerzielle Zwecke durchaus rentabel sein (etwa, um Werbekunden zu beeindrucken), verstoße aber 1. gegen die Netiquette und könne 2. auch irgendwie technisch verhindert werden – meinte E.

Was ist eine „Netiquette“? Oh, wir Unwissenden, wir Langenscheidten! Spam hatte – als ich meine Suchmaschine anwarf – knapp eine Million Einträge, und selbst die eingrenzende Frage „What is spam?“ hat mir noch fast 1.000 Antworten beschert. Es scheint, als rede ganz Amerika über nichts anderes als Spam – und zwar nicht über Würzschinken, sondern „junk mail“, „unsolicited e-mail“, „unwanted, invasive internet advertising“. Jenes Zeug also, was die Amis offenbar andauernd (und wir zunehmend) in den Mailboxen finden: unerwünschte Werbe-Mails. Ich gestehe, ich kannte diese Bedeutung des Begriffes bis gestern nicht. E. immerhin lag mit seiner höchst speziellen Lesart nicht so ganz falsch. Langenscheidt aber sollte in seinen neuen Ausgaben diesen Bedeutungswandel vom Billigfrühstück zur Müllmail schleunigst dokumentieren. Denn der Kampf um Spam ist seit Jahren ein Hauptschlachtfeld der Zeitgeschichte. Es gibt jede Menge Spam-Widerstandsgruppen vom „Netizen's Guide to Spam, Abuse, and Internet Advertising“ bis zur „Coalition Against Unsolicited Commercial E-Mail“ (Cauce) www.cauce.org/. Es gibt gelehrtes Universitätsschrifttum über den „flagranten Missbrauch des Internet“, es wird mit Bibelzitaten und technischen Tricks, mit Warnungen, und Strafandrohungen zu Felde gezogen. Und Gretchen Kokotovich, die Herausgeberin des „Free Internet Marketing & Web Page Design Newsletter“, ruft dazu auf, „endlich den Krieg zu gewinnen“. Wundersames Amerika, es scheint, als habe man dort einen neuen, kapitalistischen Hauptfeind gefunden. „Wacht auf, Verspammte dieser Erde!“

Im Übrigen wird vermutet, dass der neue Begriff sich einem alten Monty-Python-Sketch verdankt. („Well, we have spam; tomato & spam; egg & spam; egg, bacon & spam“) Vielleicht bekämpft man die Spammer am besten, indem man sie mit Tomaten, Eiern und Schinken bewirft. Spam against Spam , das wäre ja schon fast homöopathische Kriegsführung. Thomas Pampuch

ThoPampuch@aol.com

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