Palin in Hollywood: Die wahre Geschichte der Sara P.
Hollywood macht US-Wahlkampf: Im Film „Game Change“ wird aus der Tea-Party-Ikone Sarah Palin der Albtraum des Republikaner-Wahlteams. Die mögen den Film gar nicht.
Hollywood sorgt im US-Wahlkampf für Furore - mit zwei Altstars aus dem Präsidentschaftsrennen 2008: Sarah Palin und John McCain. Ein TV-Sender strahlte am Samstag einen neuen Spielfilm über ihre Kampagne aus. „Game Change“ heißt die Verfilmung des gleichnamigen Buchs. Doch die echte Palin mag da nicht mitspielen. Und die Republikaner kochen vor Wut.
Dabei bietet der für Qualitätsproduktionen bekannte Bezahlsender HBO mit dem 100-minütigen Film nach Meinung Vieler, was die derzeitige spröde Herrentruppe im US-Wahlkampf 2012 bislang entbehrt: Spannung und Unterhaltung. Was waren das für Zeiten, als sich ein Konservativer beim Run aufs Weiße Haus gegen den ersten afroamerikanischen Präsidentschaftskandidaten der Geschichte wappnete. Was waren das für Zeiten, als eine schräge Gouverneurin aus Alaska, die dröge Herrenrunde in Washington aufmischte.
Da wird so mancher Amerikaner nostalgisch. „Wir brauchen dringend einen Strategiewechsel“, rät im Film der Berater von John McCain bei der Auswahl eines Vizekandidaten. „Keinen von diesen mittelalterlichen, weißen Männern“ will er. Und McCain, den Charakterdarsteller Ed Harris („Apollo13“, „Nixon“, „Die Firma“) spielt, gibt den Jagdbefehl: „Such mir eine Frau!“ Die Amerikaner sollten sie bekommen. Als Jungpolitikerin aus dem rauen Alaska bejubelt, als zupackende Sportsfrau und Mutter mit Millionen Amerikanerinnen verschwistert, entwickelt sich Palin im Film schnell zum Albtraum des Republikaner-Wahlteams.
Dümmlich-dreite Vizekanditatin
Die dümmlich-dreist dargestellte Vizekandidatin, gespielt vom Oskar-nominierten Hollywoodstar Julianne Moore (The Big Lebowski, The Kids Are All Right), entpuppt sich als Desaster. Die Film-Palin weiß zwar, dass der Unterschied zwischen einer Hockeymom und einem Pittbull der Lippenstift ist. Aber nicht, warum es zwei Koreas gibt. Auf die Frage, was die Fed ist, erntet Film-Wahlkampfchef Steve Schmidt einen stummen Blick. Als er von ihr wissen will, warum die Amerikaner im Irak einmarschiert sind, antwortet sie: „Weil Saddam Hussein uns an 9/11 angegriffen hat.“
Wahlkampfmanager Schmidt bleibt nur noch eine Frage: „Oh mein Gott, was haben wir getan?“ Schließlich zeigen Regisseur Jay Roach und Drehbuchautor Danny Strong nicht, ob sie am Ende Palin die Schuld an der republikanischen Wahlmisere geben. Sie stützen sich auf das Buch „Game Change“ der Journalisten Mark Halperin und John Heileman, das bereits 2010 für Furore gesorgt hat. Sie geben darin tiefe Einblicke in und Details über Hillary Clinton, John Edwards, Präsident Obama oder eben Sarah Palin.
HBO versus BHO
Die hatte schon genug, bevor der Film überhaupt gesendet wurde. Bei Fox kanzelte sie ihn als Produkt der „linken, pro-Barack Obama-Maschine“ ab. „Hollywoodlügen sind Hollywoodlügen“, erklärte Palin, die Echte. Auf die HBO-Filmtrailer , die bereits seit Tagen durchs Internet geisterten, konterte ihr Team „Sarah PAC“ mit einer Persiflage. „Game Change“ wird darin entlarvt als Lügenstory eines Senders „BHO“ - die Initialen von Barack Hussein Obama.
Die Crew der ultrarechten Teaparty-Ikone beeilte sich, eine telefonische Pressekonferenz zu organisieren. Darin erklärte Palins Ex-Berater Randy Scheuermann, der Film basiere „auf absichtlich irreführenden Lügen und falschen Darstellungen.“ Auch der Ex-Präsident der Hollywood-Republikaner, Mark Vafiades, wertete den Streifen als politisch motivierte Attacke. „Offensichtlich tut Hollywood, was es kann, um die Rechte und die Republikaner zu diskreditieren“, sagte er. Das Timing dafür sei mit Absicht gesetzt.
Zumindest eins kann die Filmcrew nicht verleugnen: ihre Nähe zu den Demokraten: Hauptdarsteller Harris und Moore sind Wahlkampfspender für Obama. Und auch der Schauspieler Tom Hanks, der Co-Produzent des Films ist, steht dem Präsidenten sehr nahe. Er hat ihn schon 2008 im Wahlkampf unterstützt und will es auch diesmal tun. HBO-Co-Präsident Richard Plepler beteuert, der Film sei kein taktisches Manöver und rein zufällig während der konservativen Vorwahlen fertig geworden.
„Der Film behandelt eine wahre Geschichte“, sagt Drehbuchautor Strong. Er habe den Inhalt des Buchs noch mit 25 eigenen Interviews angereichert. „Einige Leute, die nicht gleich nach der Wahl reden wollten, waren nun dazu bereit“, so Strong. „Und Junge, was haben die geredet!“
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