die taz vor zwölf jahren : Pakistans Atombombe
Alle bisherigen Regierungen haben stets behauptet, daß Pakistan zwar die Fähigkeit zum Bau von Nuklearwaffen habe, die Bombe selbst aber nie produziert hat. Aber so recht glaubt niemand daran, vor allem nachdem der ehemalige Armeechef General Beg im vergangenen Jahr in einem Zeitungsinterview erklärt hat, Pakistan habe seinen ersten erfolgreichen Atomtest bereits 1987 absolviert.
Dieses Nuklearwaffen-Versteckspiel, das keines ist, kommt das Land teuer zu stehen. Seit 1990 haben die USA alle Wirtschafts- und Militärhilfe eingestellt, weil sich Pakistan weigerte, seine Atomanlagen kontrollieren zu lassen. Plötzlich waren über 800 Millionen Dollar weniger in der Staatskasse. Solange aber Indien über ein eigenes Atomwaffenprogramm verfügt und sich weder von den USA noch sonstwem dazu überreden läßt, dem Sperrvertrag beizutreten, wird sich auch an der Haltung Pakistans nichts ändern.
Angesichts des desolaten Zustands der Machtelite haben jene Gruppen in Politik und Militär Zulauf, die eine schärfere Konfrontation mit Indien und den USA fordern und jeden Versuch der Regierung, schon aus wirtschaftlichen Gründen die Beziehungen zu Washington zu verbessern, zunichte machen wollen. Natürlich ist Pakistan bei weitem nicht so unberechenbar wie Nordkorea. Aber selbst als Waffe der Innenpolitik ist die Atombombe gefährlich. Es gibt überhaupt keinen Grund, sie mit jener merkwürdigen Gelassenheit zur Kenntnis zu nehmen, die hierzulande vorherrscht.
Jutta Lietsch in der taz vom 26. 8. 1994