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Pätzold fordert Bachmanns Rücktritt

■ Ost-Berlins Polizeichef Bachmann wollte mit seinen Westkollegen „notwendige politische Entscheidungen“ vorbereiten / Pätzold fordert von DDR-Innenminister Diestel „Konsequenzen“ und verkündet: Kein Platz für Bachmann in Gesamtberliner Polizei

Berlin. West-Berlins Innensenator Erich Pätzold (SPD) hat dem Ostberliner Polizeipräsidenten Dirk Bachmann „politische Anmaßung“ vorgeworfen und fordert von DDR -Innenminister Diestel (CDU), „sofort die gebotenen Konsequenzen zu ziehen und das nicht denen zu überlassen, die in Kürze die Verantwortung zu übernehmen haben“. In einer Gesamtberliner Polizei werde es für Bachmann „keine Verwendung mehr geben“, kündigte Pätzold an.

Bachmann hatte am vergangenen Donnerstag den Westberliner Polizeipräsidenten Schertz, „ungeachtet uns bekannter Vorbehalte bzw. Restriktionen des Innensenators“, zu einem gemeinsamen Treffen aufgefordert. Zusammen mit Schertz wollte er „schnellstmöglich die notwendigen politischen Entscheidungen vorbereiten und zu klaren Aussagen zur Zukunft der Ostberliner Polizei gelangen“. In seinem Schreiben kann sich Bachmann wiederholte Erklärungen über „die Untragbarkeit der Übernahme bestimmter Kräfte angesichts politischer Belastetheit“ sich nur „mit parteipolitischen Erwägungen“ erklären. Schließlich habe die Alliierte Kommandantur „die bisherigen vom Leben überholten Sperregelungen zur Einstellung von Aus- und Übersiedlern aufgehoben“.

Pätzold erklärte in dem Schreiben an Diestel, daß Bachmann „weder Anlaß habe noch befugt sei, seine ungebetenen politischen oder 'fachlichen‘ Unterstellungen und Wertungen an die Berliner Polizei heranzutragen“. Außerdem sei der Präsident „nach seiner Vergangenheit und seinem inzwischen sichtbaren Verhalten völlig ungeeignet, sich zu demokratischen Entwicklungen und zum Handeln politischer Entscheidungsträger im Westen zu äußern“.

Innenminister Diestel hat auf Pätzolds Rücktrittsforderung bisher nicht reagiert. Und Bachmann dementierte gegenüber der Nachrichtenagentur ADN, „Politiker überrollen zu wollen“. Der Sprecher der Innenverwaltung, Werner Thronicker, erklärte, daß Bachmann sich an Diestel wenden solle, wenn er sich zu Fragen des Zusammenwachsen äußern wolle. Schließlich erschwere der DDR-Innenminister das Zusammenwachsen der Polizei, da er seine Kompetenzen über die Berliner Volkspolizei immer noch nicht an den Magistrat abgeben wolle. Auf jeden Fall habe aber die Legislative zu sagen, was die Exekutive zu tun habe, und nicht umgekehrt. Innensenator Pätzold hat „erhebliche Zweifel“, daß Diestel „gewillt“ ist, den Polizeichef abzusetzen: „Immer mehr verdichtet sich die Befürchtung, Teile der neuen DDR -Regierung kümmerten sich weniger um das schwere Schicksal der leidgeprüften DDR-Bevölkerung als um das Überwintern verantwortlicher Führungskräfte des alten Regimes“.

Soll auch Bachmann überwintern? Der Chefpolizist hat jedenfalls eine typische Parteikarriere hinter sich. Nach eigenen Angaben fing er 1968 bei der Volkspolizei an, kam 1970 in die Offiziersschule des Ministeriums des Inneren und studierte in der Sowjetunion. Von 1981 bis 1986 leitete er die Polizei in Halle. Im Januar 90 wurde er zum Ostberliner Polizeipräsidenten ernannt - kurz vorher war er aus der SED ausgetreten.

Doch obwohl aus der Vergangenheit einfach ausgetreten, hat Bachmann bereits mit der Gegenwart zu kämpfen. Die Westberliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Gesetzeshüter wegen Nötigung. Bachmann wird vorgeworfen, bei einem Fernsehinterview des Privatsenders SAT1 dem Vorsitzenden der Ostberliner Gewerkschaft mit einem Auszug aus der Personalakte unter Druck gesetzt zu haben.

Dirk Wildt

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