PRO: WER DEN KRIEG ABLEHNT, DEM SIND SADDAM HUSSEINS OPFER EGAL : Aus falschem Grund das Richtige getan
Rechtfertigen die Menschenrechtsverletzungen im Irak den US-geführten Krieg gegen das Regime von Saddam Hussein? Ja, meint US-Außenminister Colin Powell. Seine Erkenntnis dürfte unter zahlreichen Gegnern des Krieges angesichts des blutigen Kriegsverlaufs Empörung auslösen. Aber wenn Menschenrechtsverletzungen unter keinen Umständen einen Krieg rechtfertigen, sind alle Diskussionen um das Recht auf Einmischung und die Weiterentwicklung des internationalen Rechts hinfällig. Dann war es richtig, dass die UNO angesichts des Völkermords in Ruanda passiv blieb. Dann dürften die Kurden, ob im Irak oder in der Türkei, keinesfalls befreit werden; auch nicht die Frauen Afghanistans. Ob so eine Haltung den Menschenrechten dient? Wohl kaum.
Jedes Kriegsopfer ist eines zu viel, aber jedes Despotenopfer auch. Aus der Menschenrechtsperspektive sollte dieser Krieg so schnell wie möglich enden, und zwar mit dem Sturz Saddam Husseins. Stattdessen herrscht unter so manchen Kriegsgegnern klammheimliche Freude über Rückschläge im Krieg und hohe Opferzahlen, weil das die eigene Abneigung gegen George Bush bestätigt. Schlimmer kann Zynismus sich kaum äußern.
Viele Analytiker haben außerdem aus dem Umstand, dass die irakische Bevölkerung nicht blümchenschwenkend zur Begrüßung der US-Marines auf die Straßen eilt, auf eine überraschend hohe Beliebtheit des Regimes von Saddam Husseins geschlossen. Die Iraker verteidigen eben ihr Land, heißt es dann. Vermutlich haben diese Analytiker nie in einer Diktatur gelebt und wissen nicht, wie eine Terrorherrschaft Loyalität erzeugt. Vermutlich wissen sie nicht mehr, wie brutal die Aufstände von 1991 vor den Augen der US-Armee durch Saddam Husseins Truppen niedergeschlagen wurden und wie viel Traumatisierung es noch unter den Überlebenden gibt, von denen jetzt ein paar leichtfertige US-Strategen meinen, sie sollten doch einfach einen neuen Aufstand machen. Vermutlich kennen sie nicht die Aussagen irakischer Zivilisten über Hinrichtungen und Einschüchterungen in den südirakischen Frontstädten. Vermutlich sind sie dieselben Leute, die früher das UN-Embargo gegen den Irak kritisierten, weil es das Regime stärkt und die Gesellschaft in den Ruin treibt, und jetzt das Ergebnis davon nicht wahrhaben wollen: ein Volk, das kein Vertrauen mehr hat, auch nicht in sich selbst.
Rechtfertigt das den Krieg? Wenn der Irak hinterher eine bessere Regierung hat – warum nicht? Man mag über die Motivation der USA streiten, den Krieg zu führen, oder über Colin Powell lästern. Aber selbst eine Supermacht kann aus dem falschen Grund das Richtige tun. DOMINIC JOHNSON