PRO: Ökoverbände dürfen mit "Bild" kooperieren: Wenn Saulus zum Paulus wird
Der Grundsatz "in dubio pro reo", muss auch für die gelten, an deren Motivation manche zweifeln und verborgene Hintergedanken wittern. Das gilt selbst für die "Bild"-Zeitung.
F rüher war die Welt noch überschaubar und die Fronten waren klar: da standen auf der einen Seite die Guten - dort die Bösen. Die einen waren Umweltschützer - die anderen Umweltverschmutzer. Da taten sich die Nichtregierungsorganisationen zusammen - dort firmierten die Multis. Heute laden Energiekonzerne zum Klimakongress ein und Nobelpreisträger lassen sich bezahlen für Ihre Warnungen an die Menschheit, etwas gegen den Klimawandel zu tun. Heute plant eine internationale Fastfood-Kette, deren Nahrungs-Erzeugnisse noch vor gar nicht allzu langer Zeit als imperialistisches Junk-Food gegeißelt wurden, eine Öko-Kampagne mit einer Nichtregierungsorganisation, die sich "Conservation International" nennt.
MARLEHN THIEME, Jg. 1957 ist Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung, Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und Direktorin der Deutsche Bank AG. Sie ist verheiratet und hat 2 Töchter.
Eine ähnliche Allianz machte Deutschland im Frühjahr dieses Jahres Staunen. Die Bild-Zeitung hatte eine Klimakampagne gestartet, zusammen mit dem BUND, WWF und Greenpeace. "Greenpeace springert!" und "Zerreißprobe für die Umweltbewegung" schallte es. Darf man sich als kritische Organisation mit einem Massenblatt einlassen, das bislang nicht gerade als Umweltschützer aufgetreten war? Manche Kritiker erinnerten an die Anti-Ökosteuer-Stimmungsmache der Zeitung: "Ökosteuer? - Ich hup euch was". Kann der Feind wirklich zum Freund werden?
Ich meine ja. Es ist gut, wenn Saulus zum Paulus wird, gerade wenn es bequemer wäre, im eigenen Saft zu schmoren. Auch dem "Meinungsgegner" muss man einen Gesinnungswandel zugestehen. Der Grundsatz "in dubio pro reo", im Zweifel für den Angeklagten muss auch für die gelten, an deren Motivation manche zweifeln - und verborgene Hintergedanken wittern. Das gilt auch für Medien wie die Bild-Zeitung.
Und zweitens: Eine neue Liaison wie die Klimakampagne ist noch keine Dauerbeziehung. Und eine neue Liaison muss nicht blind und kritiklos für den Partner sein. Als Anwältin für den Klimaschutz kann ich sehr wohl kritischer Leser der Bild-Zeitung bleiben und dennoch die starken Seiten - zum Beispiel die hohe Verbreitung und damit Einflussmöglichkeit der Bild-Zeitung - für wichtig erachten und nutzen. Immerhin erreicht die Bild-Zeitung etwa zehn Millionen Menschen und damit die Umweltschutzverbände diese zehn Millionen Menschen mit ihren Ideen zum Klimaschutz. Sollte die "Mitmachaktion" erfolgreich sein, könnte bis Ende diesen Jahres 3,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
Macht sich der Umweltschutz dadurch unglaubwürdig? Nein, denn das Anliegen verändert sich dadurch nicht. Das Instrument der Kommunikation ist vielleicht ungewöhnlich. Oder einfacher gesagt: die Bild-Zeitung im Verbund mit Umweltschützern ist Überraschung und Signal, wenn auch für einige gewöhnungsbedürftig in einem Mainstream angekommen zu sein. Aber wenn die Bild-Zeitung ihre Leser dazu auffordert, das Klima zu schützen, dazu beizutragen, dass Energie gespart wird, dass nachhaltiger mit Ressourcen umgegangen wird, dass darüber nachgedacht wird, ob der nächste Urlaub wirklich mit dem Flieger gemacht werden muss - was ist dagegen einzuwenden?
Nichts desto trotz stehen vor allem Politik und Wirtschaft in der Pflicht. Die Bürde des Klimaschutzes darf nicht auf den Schultern der Bürgerinnen und Bürger allein geladen werden. Die Energiesparlampe im privaten Haushalt ist gut, sehr gut als Zeichen eines gewandelten Bewußtseins. Aber sie ersetzt weder eine konsistente Nachhaltigkeitsstrategie der Regierung noch nachhaltiges Handeln der Wirtschaft - mit möglichst konkreten Zielen, die Transparenz über Erfolg (oder Misserfolg) ermöglichen und damit Glaubwürdigkeit schaffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!