PRIVILEGIEN FÜR PENSIONÄRE UND INHABER VON LEBENSVERSICHERUNGEN : Gigantische Subventionsmaschine
Künftig werden Renten besteuert, dafür sind Rentenbeiträge zunehmend steuerfrei. Diese Nachricht kann in Zeiten des „sozialen Umbaus“ und der Kürzungen schnell zu Missverständnissen führen. Daher ausdrücklich: Das ist in Ordnung, ist vor allem Steuertechnik. Nur sehr gut verdienende Rentner mit Nebeneinkünften dürften betroffen sein. Übrigens stammt die Idee ausnahmsweise nicht von unserem reformfreudigen Bundeskanzler – sondern vom Bundesverfassungsgericht. Bereits im vergangenen März hat es verlangt, dass Renten ab 2005 wie Pensionen zu behandeln seien, die bereits besteuert werden.
So weit, so unaufregend. Der Skandal liegt woanders. Politisch brisant ist die markante Selbstbeschränkung des Bundesverfassungsgerichts. Es hielt in seinem Urteil ausdrücklich fest, dass es nur die steuerliche Behandlung von Renten und Pensionen vergleicht – nicht aber deren momentane Nettohöhe. Das hat seinen guten Grund: Pensionäre erhalten durchschnittlich weit bessere Altersbezüge als Rentner, die eine vergleichbare Tätigkeit ausgeübt haben. Da Schröder ständig nach Bürgern sucht, die angeblich zu stark vom Staat profitieren, müsste er drastisch bei den Pensionen sparen. Da wäre weit mehr zu holen als bei den Empfängern von Arbeitslosenhilfe, bei denen bedenkenlos gekürzt wird. Aber das Stichwort „Pensionen“ kam in der Regierungserklärung nicht vor.
Ebenso fehlte ein anderes Stichwort, das durchaus in die Logik des Karlsruher Urteils gepasst hätte: die „Kapitallebensversicherung“. Wird sie über mindestens zwölf Jahre abgeschlossen, sind die Erträge steuerfrei. Weil sie der Altersvorsorge dienen. Angeblich. Denn es gibt genug Anleger, die ihre Kapitallebensversicherung lieber in ein Segelboot oder ein schnittiges Auto investieren. Doch wie auch immer: Dieses Steuerprivileg ist systemwidrig, denn normale Sparzinsen oder auch Mieteinnahmen müssen versteuert werden – selbst wenn sie der Alterssicherung dienen.
Die Kapitallebensversicherung ist eine gigantische Subventionsmaschine für die deutsche Versicherungswirtschaft. Ohne die Steuerprivilegien gäbe es wohl kaum Kunden, der diese wenig rentable Anlageform wählen würden. Da doch alle Kapitalbesitzer stets „das freie Spiel der Marktkräfte“ beschwören: Hier sollten diese tatsächlich einmal einfach wirken. Das wäre der schnelle Tod der Kapitallebensversicherung. Und zwar zu Recht. Es ist nicht einzusehen, warum alle Steuerzahler – auch die ärmsten – ausgerechnet jene Bürger unterstützen, die sowieso genug Einkommen erzielen, um langfristig anzusparen. ULRIKE HERRMANN