piwik no script img

Archiv-Artikel

PRESS-SCHLAG Auf der Sonnenseite des Bärenlebens

NATIONALTEAM Jogi Löw genießt gerade seine Zeit als National-trainer. Warum auch nicht?

Der Sieg gegen Kasachstan ist, bei allem Respekt vor dem Gegner, sicher

Yogi Bär, dieses ausgebuffte Plüschtier, das im Jellystone-Park lebt und Touristen die Picknickkörbe klaut, wähnt sich auf der Sonnenseite des Bärenlebens. Denn er sagt von sich: „Ich bin schlauer als der Durchschnittsbär.“ Jogi Löw, dieser durchaus sympathische Fußballtrainer, der im Badischen lebt und anderen Teams die Punkte klaut, ist auch so ein Glückspilz. Die Süddeutsche Zeitung hat beobachtet, dass „vom deutschen Bundestrainer dieser Tage ein gewisses Leuchten ausgeht“.

Nun muss man sagen: Löw war nie eine graue Maus ohne jegliche Strahlkraft. Allerdings spürte man vor allem während großer Turniere, dass Löw mit zunehmender Dauer des Turniers seine Aura verlor. Die jetzige Leuchtkraft speist sich aus diversen Quellen: Löw erinnert sich nur noch dunkel an die Strapazen in Südafrika; unlängst setzte er seine Unterschrift unter einen neuen Vertrag; seine wichtigsten Mitarbeiter taten es ihm nach. Auch scheint der Streit mit dem DFB komplett beigelegt zu sein. Und angesichts der Turbulenzen in der Bundesliga, der zum Teil hanebüchenen Personalentscheidungen, erscheint die Nationalmannschaft als ein Hort der Ruhe und Beständigkeit. Die Spieler kommen gern zum Nationalteam, weil ihnen Länderspiele – auch eines gegen Kasachstan – keine Last sind, sondern durchaus ein Vergnügen. Das war in der Vergangenheit nicht immer so.

Nicht zuletzt kann Löw aus einem Jungbrunnen schöpfen: Die Talente laufen ihm nur so zu. Jetzt hat er mit André Schürrle, Mario Götze und Sven Bender wieder Fußballer in den Kader berufen, die ob ihrer besonderen Fähigkeiten gern als „Perspektivspieler“ bezeichnet werden. Der Sieg gegen Kasachstan ist, bei allem Respekt vor dem Gegner, sicher. Das trägt zur Tiefenentspannung des Bundestrainers bei. Er kann am Samstag (20 Uhr, ZDF) überdies testen und studieren: die Anpassungsfähigkeit der Jungen, die Laufwege der Alten, vor allem jenes Stürmers, der in der Bundesliga ein unschönes Dasein fristet.

Miroslav Klose wird seine Tasche für die Reise zum Nationalteam so schnell gepackt haben wie ein Stressgeplagter, der einen kostenlosen Wellnessurlaub gewonnen hat. Man wird Klose im Sanatorium Nationalmannschaft mit jenem heilenden Balsam behandeln, das den Bayernstürmer schon während der Weltmeisterschaft 2010 gänzlich neue Kräfte verliehen hat. Kloses Bundesliga-Bilanz ist ernüchternd (1 Tor, nur in 13 von 27 Spielen dabei, Bankdrücker), bei Jogi Löw ist der Angreifer trotzdem gesetzt. Diese ungewöhnliche Maßnahme kann Löw plausibel begründen: Bei uns ist er ein anderer, weiß der Bundestrainer aus Erfahrung.

Die Welt des Jogi Löw ist also in Ordnung. Unmut ist kaum zu hören. Nur aus Leverkusen kommt ein leiser Stoßseufzer – von Jupp Heynckes. Er beklagte sich, dass Simon Rolfes nicht eingeladen wurde zum Länderspiel. Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Die Plätze sind nun mal knapp, was Serdar Tasci oder Piotr Trochowski bestätigen dürften. Es sollte schließlich auch noch erwähnt werden, dass eine Veranstaltung, die das kleine Fußballfest des Deutschen Fußball-Bunds in Kaiserslautern hätte stören können, von der Stadt vorsorglich verboten wurde. Die NPD wollte mit dem Motto „Weiß, nicht nur eine Trikotfarbe! Für eine echte deutsche Nationalmannschaft!“ Stunk machen.

Weil es gerade wie am Schnürchen läuft, glaubt man geradezu, in eine Traumwelt versetzt zu sein. Jogis Insel der Seligen, so viel ist sicher, dürfte nicht weit entfernt liegen vom Jellystone-Park, wo der liebe Yogi Bär lebt. Nur eines wird man vom Jogi mit J nie hören: „Ich bin schlauer als der Durchschnittstrainer.“

MARKUS VÖLKER