PRESS-SCHLAG: Sitzen ist fürn Arsch
■ Fandressur à la DFB: die neuen Sicherheitsrichtlinien
Über drei Millionen Mark sind in das Stadion in Sheffield gesteckt worden. Ich halte es für eines der sichersten im ganzen Land.“ Nicht lange, nachdem Richard Faulkner vom englischen Fußballverband diese Worte gesprochen hatte, starben fast hundert Menschen in eben jenem Sheffielder Hillsborough-Stadion, zerquetscht an den Sicherheitszäunen der Arena. Schockiert von diesem Ereignis, ging man in England dazu über, die oft gerade erst für teures Geld errichteten unnachgiebigen Zäune und Trennwände schleunigst wieder abzubauen, eine Entwicklung, die der Deutsche Fußballbund (DFB) offensichtlich nicht mitbekommen hat.
Aufgeschreckt durch das Gemunkel über einen Ausschluß der Deutschen von internationalen Wettbewerben nach den Krawallen in Mailand, Luxemburg und Leipzig hat die Sicherheitskommission des DFB im Februar „Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen“ fertiggestellt, die nun an die Öffentlichkeit gedrungen sind und Entsetzen bei Fans und Vereinen verbreitet haben. Akribisch widmet sich das Papier dem Umbau der Stadien, jenem Bereich, wo es derzeit die weitaus geringsten Probleme gibt. Die Randale findet in der Regel in den Innenstädten, Bahnhöfen oder Zügen statt.
Kernstück der Vorschläge sind ausgerechnet „Trennzäune oder Zäune aus Verbund-Sicherheitsglas, stabil, nicht übersteigbar“. Schon die Eingangstore seien so einzurichten, daß sie „dem Druck von Menschenmengen standhalten“, in den Fanblöcken sei die Abtrennung gar „besonders stabil auszubilden“. In den Stehplatzblöcken „mit erhöhtem Risiko“ sollen durch eine „zusätzliche Trenneinrichtung“ mindestens 1,2 Meter breite Laufgassen für Sicherheitskräfte geschaffen werden. Hinzu kommen am oberen Rand „Beobachtungspodeste für die Polizei“ sowie eigene Kioske und Toiletten, damit die üblen Gesellen ja nicht auf die Idee kommen, während des Spiels oder in der Halbzeit aus ihrem Ghetto auszubrechen. Die Fans apostrophieren diese Art der Unterbringung bündig als „Käfighaltung“. Wer bis dahin noch friedlich war, der rastet spätestens hier aus.
Das scheint auch der DFB zu erkennen, drum verlangt er die Einrichtung von Polizeiwachen und Festnahmezellen sowie einen Schutzraum für Schiedsrichter und ähnlich ungeliebte Zeitgenossen, der gegen die „Einwirkung mit Schußwaffen oder Sprengmitteln“ gesichert ist. Auf die Bereitstellung von Ritterrüstungen soll vorläufig noch verzichtet werden.
Die Tage jener Stadionbesucher, die in den Augen des DFB vorzugsweise „alkoholisiert sind oder unter anderen, den freien Willen beeinträchtigenden Mitteln stehen“ (Maradona ist nicht gemeint), sind, wenn es nach den Funktionären geht, ohnehin gezählt. Schon die Diktion des Papiers ist verräterisch, wenn es heißt, daß die „Stehplatzblöcke der Fans“ von den „Zuschauerbereichen“ abgetrennt werden sollen. Eine von den Fan- Organisationen besonders angefeindete Vorschrift verlangt die Abschaffung aller Stehplätze bis zur Saison 1993/94. „Sitzen ist für'n Arsch“, wettert das Bremer Fanprojekt und allenthalben wird gemutmaßt, daß es dem DFB in Wahrheit weniger um die Sicherheit, als vielmehr um Einnahmesteigerung sowie eine rapide Yuppisierung und Entproletisierung des Fußballs gehe. Stadien voller adrett gekleideter, sauberer, popcornkauender Menschen, die, dezent Beifall spendend, in ihren Sitzschalen hocken, alkoholfreien Champagner schlürfen und sich in der Halbzeit widerstandslos von Roland Kaiser unterhalten lassen.
Zu guter Letzt noch ein wenig Lob: Ein Alkoholverbot klingt durchaus vernünftig, die Bereitstellung „feuerhemmender Handschuhe“ ist geradezu ein Meilenstein und die Perfektionierung der „Beschallungsanlagen“ längst überfällig. „Dann versteht man endlich mal die Mannschaftsaufstellungen“, begeisterte sich im Gespräch mit der taz ein profunder Kenner zahlreicher Stadien und Beschallungsanlagen. Matti
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