PRESS-SCHLAG: „Zieht den Bongos die Buschröckchen aus“
■ Partisan Eifelstraße avancierte im Freiburger Möslestadion zum Deutschen Meister im Alternativkick
Aus der Hand von Hilde Weizsäcker erhielt die Vorsitzende des Fanclubs von „Betonunion“ Oberhausen den Ehrenpreis der Turnierleitung. Aus gutem Grund: Mauern war bei der Fantruppe der Unionisten nicht angesagt, mit erfrischenden Gesängen sorgten sie für große Stimmung bei den 5. Deutschen Meisterschaften der Alternativ-Fußballer und bescherten dem altehrwürdigen Freiburger Möslestadion am vergangenen Wochenende bei subtropischen Verhältnissen die Premiere von „la ola“.
Gruppengegner „Bongo Bongo“ aus dem Westerwald ließ sich vom zum Hit des Turniers avancierenden „Zieht den Bongos die Buschröckchen aus“ gar derart verunsichern, daß es trotz technischer Beschlagenheit letztlich nur zum zehnten Platz im zwanzig Mannschaften umfassenden Teilnehmerfeld reichte. Aber auch die Mannschaft von „Betonunion“ mußte der Euphorie der eigenen Fans letztlich Tribut zollen, da man sich zusätzlich mit auf dem Platz dargebrachten Ständchen — „Mir spiele nit für umme, mir spiele nit für Geld, mir spiele für unsre Fans, die beste uff der Welt“ — verausgabte.
Zudem ließ man sich zu einer den Namen der Truppe auf den Kopf stellenden Offensivtaktik verleiten, was zwar der spätere Turniersieger „Partisan Eifelstraße“ aus Aachen mit der einzigen Niederlage bezahlen mußte, aber „Betonunion“ so viel Substanz kostete, daß am Schluß nur der enttäuschende 15. Platz blieb.
Erwartungsgemäß dagegen die abfallende Leistungskurve beim „SEK Freiburg“ (Suff Exzess Kommando), das das bundesweite Treffen nutzte, um eindrücklich für die Ideen der vor fünf Jahren gegründeten Gruppierung zu werben: „Der Verein“, so SEK-Präsident Joachim Köninger, „dient der körperlichen Ertüchtigung zwecks revolutionärem Umsturzes auf der Basis der FIFA-Regeln, mit den Grundsätzen der deutschen Trinkerjugend, im Geiste Turnvater Jahns.“
Da der Versuch, die eigene Anfälligkeit durch Einführung einer „blauen Karte“ auszugleichen — bei Foulspiel sollte der Übeltäter sofort eine Flasche Bier trinken müssen — schon im Vorfeld gescheitert war, verlegte man sich nach zwei nüchternen Auftaktsiegen geschickt auf die zweite Spezialität der Gruppe: fehlende fußballerische Eleganz durch eigenwillige Sangeskunst kompensieren. Letzte Single-Produktion: „Steiler Paß“ und „Goodbye Franzl“. So erreichten sie immerhin noch Platz 12.
Auch der Titelverteidiger aus dem südbadischen „Hinter Mailand“ schaffte diesmal nur den 11. Platz und so war es allein dem Vizemeister „Flamengo Rosenau“ aus Nürnberg vorbehalten, in die Phalanx der West-Vereine auf UEFA-Cup-Rängen einzudringen. Damit erwies sich auch der von der taz im vergangenen Jahr angesichts des Scheiterns der „Alternativ-Legende“ „Partisan Eifelstraße“ und „Peterman Stadtgarten“ aus Köln diagnostizierte „Generations-, wenn nicht gar Paradigmenwechsel im Alternativfußball“ als glatte Fehleinschätzung. Immerhin ins kleine Finale waren die Petermänner diemal wieder vorgestoßen, wo sie dann allerdings den „Roten Nullen“ aus Aachen unterlagen. So festigte Aachen mit Platz eins und drei den Ruf als heimliche Hauptstadt der Alternativkicker.
Apropos Hauptstadt. Nachdem die arrogant vorgetragenen Machtgelüste der frisch gekürten Titelträgerin Berlin in den letzten Monaten bundesweit Mißfallen erzeugt hatten, bewies die aus der neuen Hauptstadt nach Freiburg angereiste Mannschaft „Schwarz auf Weiß taz“ die Fußball-Kunst des Understatements. Fair trat man gegenüber allen Mitbewerbern zurück und ließ gar in der Vorrunde jede Chance zum erfolgreichen Torschuß aus, um dank des kampflosen Rückzugs des „FC Freilos“ dann gänzlich ohne Sieg belastet, doch noch das selbstgesteckte Ziel zu ereichen: „Besser sein als Hertha — nicht Letzter werden.“ Ulrich Fuchs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen