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PRESS-SCHLAGDürfen die denn das?

■ Frauen-Gewichtheben bleibt auch nach der 5. Weltmeisterschaft umstritten und diskriminiert

In Polen darf es niemand. Dort ist Frauen-Gewichtheben offiziell verboten. In China dürfen es viele. Dort gibt es rund 200.000 Stemmerinnen. „In jeder Kreisstadt befindet sich ein Zentrum für Gewichtheberinnen“, erzählt Hongling Li, die schon als 19jährige Weltmeisterin wurde und in Donaueschingen in der Klasse bis 82,5 Kilogramm ihr viertes WM-Gold im Zweikampf gewann. „Wir werden von der Regierung hervorragend unterstützt“, betont auch die zierliche Sun Coiyan, die Weltmeisterin in der 56-Kilogramm-Gewichtsklasse.

Han Cixia gewann bei den 91er- Welttitel-Hebungen bereits die 100. Goldmedaille für China, bei bisher nur fünf Weltmeisterschaften. Die offizielle Förderung dieser Sportart in Asien ist noch die große Ausnahme, wie eine Umfrage unter erfolgreichen Heberinnen beweist: „Unsere Regierung unterstützt nur die Männer dieser Sportart“, kritisiert die Kanadierin Nely Niro (Dritte, 56 kg). „Auch bei uns beruht eigentlich alles auf privater Initiative“, bestätigt Karyn Marshal aus Florida/USA, „obwohl die ersten Weltmeisterschaften in meiner Heimat stattfanden.“ Miß Marshall speckte im letzten Jahr 22 Kilogramm ab und gewann eine Gewichtsklasse tiefer (82,5 kg) prompt die Bronzemedaille. „Wir hoffen auf mehr Anerkennung, wenn das Frauen-Gewichtheben eine olympische Sportart wird.“

Das dürfte frühestens im Jahr 2.000 der Fall sein. Voraussetzung für eine olympische Anerkennung wäre ein Verzicht der Männer auf einige ihrer zehn Gewichtsklassen. „Diese Sportart ist bei den Frauen aber immer mehr beliebt“, berichtet Tamas Arjan, der Generalsekretär der Internationalen Gewichtheberföderation IWF. Inzwischen werden in sechzig Ländern von Frauen die Hanteln gehoben. In der Bundesrepublik auch, allerdings weitgehend in namenloser Anonymität. Die Reise zu den Weltmeisterschaften mußten die neun deutschen Starterinnen selbst bezahlen. Zu einer WM-Ausrüstung (T-Shirt, Trainingsanzug, Tasche) kamen die Frauen nur, weil die Männer zu ihren Gunsten darauf verzichteten. „Der Verband bezahlt uns auch nur vier Übernachtungen“, erzählt Doreen Heller, die einzige ostdeutsche WM- Heberin. Dafür half ihr der sächsische Landesverband bei ihrem WM-Start.

Trotzdem bin ich mit dieser Weltmeisterschaft sehr zufrieden“, erklärte Marina Kail, die für die Frauen verantwortliche Referentin im Bundesverband Deutscher Gewichtheber, „die Leute mußten ja über die Medien erst einmal erfahren, daß es uns gibt“. Warum aber immer noch Vorbehalte und Vorurteile gegen diese Frauensportart? Weil die Athletinnen der höchsten Gewichtsklasse mit ihren 120 Kilogramm Körpergewicht nicht den Schönheitsidealen der Männer standhalten? Weil der Kampf der Kraft gegen die Masse traditionell der Männlichkeit vorbehalten ist? Oder weil man die Frauen aus der Dopingsportart Nummer eins fernhalten will?

Dafür wäre es zu spät, denn Italiens Nationalteam der Frauen kam wegen „anaboler Unregelmäßigkeiten“ gar nicht erst zur Weltmeisterschaft. Bleiben gesundheitliche Bedenken. Aber auch sie reichen von der These, daß „Frauen auf Grund ihrer Hebelverhältnisse besser fürs Gewichtheben geeignet sind als Männer“ bis zu „katastrophalen Spätfolgen“. Von Frauen mißtrauisch beäugt, von den Männern müde belächelt — die Gewichtheberinnen werden noch einige Vorurteile aus dem Weg räumen müssen, bis alle so denken wie das bayerische Muskelpaket Manfred Nerlinger: „Das ist ein Sport wie jeder andere“, sagt er und hat entdeckt: „Manche Frauen beherrschen die Technik besser als die Männer.“ Meint er am Ende gar sich selbst? bossi

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