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PRESS-SCHLAGRanziges Fett

■ Nach Aufklärung der PDM-Seuche bei der letzten Tour de France macht das Team mit gleichem Budget weiter

Als die Teilnehmer der Tour de France mit dem Spanier Miguel Induráin im Gelben Trikot die letzten Kilometer der Tour 1991 auf den Champs Elysées zurückgelegt hatten, begann es gehörig zu brodeln im Profiradsport. Das alljährliche beliebte Bäumchen- wechsle-dich-Spiel schien in diesem Jahr besonders heftige Formen anzunehmen. Laurent Fignon, der 30jährige Franzose mit dem dicken Schädel und den starken Oberschenkeln, überwarf sich mit seinem langjährigen Patron Cyrille Guimard („Der einzige Freund, den ich habe“), stieg beim Castorama-Rennstall aus und machte sich auf die Suche nach einem neuen Arbeitgeber; bei Banesto schien die bewährte Liaison Pedro Delgado — Miguel Induráin ihr Ende erreicht zu haben, nachdem der Kronprinz bei der Tour endgültig die Macht übernommen hatte; Eric Breukink von PDM ließ offenes Interesse erkennen, künftig bei Gianni Bugnos Gatorade-Team mitzustrampeln.

Etliche Sponsoren schraubten die Ausgaben drastisch zurück, d.h. sie beschäftigen weniger Fahrer, einige bekundeten sogar ihre Absicht, sich 1992 endgültig zurückzuziehen. Analog zur sportlichen Entwicklung im Profiradsport, welcher sich derzeit fest in den Händen der Italiener und Spanier befindet, handelt es sich dabei zumeist um belgische, holländische oder französische Teams. Die von Großverdiener Greg LeMond eingeleitete goldene Boomphase des Radsports mit gewaltigen Investitionen großer Firmen und fetten Gehältern schien erst mal vorbei zu sein. Es wurde sehr eng auf dem Arbeitsmarkt für Radprofis.

Besonders schief hing der Haussegen beim holländischen PDM-Team, in den letzten Jahren stets die bestbesetzte Riege bei den großen Rundfahrten. Spitzenfahrer wie Erik Breukink, Sean Kelly, Raul Alcalá, Uwe Ampler, Steven Rooks, Gert-Jan Theunisse hatten bei den Frankreich-Rundfahrten 1989 und 1990 für Furore gesorgt und den Bekanntheitsgrad der Marke PDM in Holland von gerade mal zwei bis drei Prozent im Jahre 1986 auf fast 60 Prozent 1989 geschraubt.

Aber dann kam die mysteriöse Vergiftungsaffäre bei der Tour 1991, als in der Bretagne plötzlich sämtliche PDM-Fahrer Kopfschmerzen, Schüttelfrost sowie Gelenkschmerzen bekamen und nacheinander aufgeben mußten. Besonders bitter für Breukink, der sich in diesem Jahr große Hoffnungen auf den Gesamtsieg gemacht hatte. Zuerst wurden abwechselnd die Hähnchenschenkel und Spaghetti Bolognaise im Mannschaftshotel verdächtigt, was der empörte Koch mit dem Hinweis von sich wies, daß ja nur die Fahrer erkrankt seien, Betreuer und Techniker, die ja dieselben Speisen zu sich genommen hätten, indes bei bester Gesundheit. Flugs schob die Teamleitung die Misere auf Nahrung, die die Sportler auf der Strecke zu sich genommen hatten, oder auf Klimaanlagen, die angeblich Viren ausgespuckt hätten.

Für den Rest der Welt gab es in Kenntnis der Gepflogenheiten des Radsports allerdings nur einen Hauptverdächtigen: Doping. Kortison zum Aufpäppeln nach dem schweren Einzelzeitfahren am Tag zuvor war der Favorit, aber auch Blutdoping wurde ins Gespräch gebracht.

Das wollte der sportliche Leiter Jan Gisbers nicht auf sich sitzen lassen. Er ließ Blutproben von den Fahrern nehmen und sie in einem Genter Laboratorium untersuchen. Finale Diagnose des Instituts: Salmonellenvergiftung durch ein verdorbenes Medikament. Der Teamarzt habe den Fahrern „Intralipid“ verabreicht, eine Art flüssiges Fett, das nicht auf der Dopingliste steht, für Sportler allerdings auch komplett nutzlos sei, wie Labordirektor Erik Schollaert erklärte. Durch die hohen Temperaturen im Mannschaftsbus und mehrmaliges Öffnen sei der Inhalt der Ampullen verunreinigt worden — das PDM- Team ist also an ranzigem Fett gescheitert. Hinweise für die Einnahme von Kortison oder eine überhöhte Anzahl von roten Blutkörperchen hätte es nach Angaben des Instituts nicht gegeben.

Der Teamarzt wurde gefeuert und das PDM-Team will nun die nächste Saison mit neuem Elan in Angriff nehmen. Erik Breukink wird vermutlich doch bleiben, und auch die eigentlich geplanten Budgetkürzungen solle es vorerst nicht geben. Teammanager Krikke hat nämlich eine interessante Entdeckung gemacht: eine Umfrage ergab, daß der Bekanntheitsgrad von PDM nach der kollektiven Unpäßlichkeit der radelnden Angestellten auf 70 Prozent gestiegen ist. Matti

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