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PRESS-SCHLAGWinnetou's Home Run

■ Indianer in den USA wehren sich gegen den Mißbrauch ihrer Namen und Sitten durch US-Sportclubs

Wenn 50.000 zum „Tomahawk-Chop“ ansetzen, ist im Fulton County-Stadion zu Atlanta die Hölle los. Mit gekauften Plastikbeilen, selbstgebastelten Tomahawks oder der ausgestreckten rechten Hand hauen euphorisierte Fans im weiten Rund rhytmisch gleich auf den imaginären Gegner ein. Die Stadionorgel stimmt den Kriegstanz an, Tom-Tom-Trommeln schlagen dumpf, ein minutenlanges Geheul setzt ein: Ooooouuuuuaaaaauuuuuoooh. Die furchterregenden Laute schüchtern die Gastmannschaft ein und sticheln das heimische Baseballteam, die Atlanta Braves, zu übermenschlichen Taten an. „La Ola“ ist out, hier kommt der „Tomahawk Chop“.

Doch nicht jeder im Land der unbegrenzten Möglichkeiten teilt diesen neusten Stadion-Spaß im gleichen Maße, wie die Braves-Fangemeinde. Während der „Worldseries“ begleiteten die sportlichen Ereignisse auch Proteste der „native americans“, wie die Indianer im offiziellen Sprachgebrauch genannt werden, und machten den „Tomahawk Chop“ zum immer wieder diskutierten Thema.

Wie sooft in ihrer Geschichte, fühlen die Indianer sich von der amerikanischen Wasp-Mittelschicht überrannt und despektiert. Längst zum Maskottchen verkümmert, reichen Bräuche und Traditionen nur noch für den heiteren Firlefanz. Sobald eine amerikanischen Mannschaft, sei es im Schul-, College- oder Profisport ein indianisches Element im Wappen oder im Namen trägt, schlägt schon irgendein Häuptling im bunten Federschmuck auf dem Spielfeld Purzelbäume. Zum Wettstreit müssen „Rothäute“ oder „Indianer“ gegen „Löwen“, „Bären“ oder „Bulldoggen“ antreten.

Brave“ bedeutet im amerikanischen neben tapfer, kühn und mutig sein, auch indianischer Krieger. Clyde Bellecourt, Direktor des AIM (American Indian Movement), empfindet den Spitznamen der Baseballtruppe aus Atlanta als erniedrigend für die Ureinwohner. „Warum nennen die sich nicht die ,Atlanta Bishops‘? Dann könnte sich jemand als Papst verkleiden und alle Besoffenen mit heiligem Wasser überschütten.“ Besonders das Verhalten zweier Fürsprecher von Randgruppen und Unterdrückten in den USA entsetzte: Ex-Präsident Jimmy Carter und „Tante Progressiv“ aus den siebzigern, Jane Fonda, wurden vom Fernsehen beim „Tomahawk Chop“ im Stadion erwischt.

Die indianischen Beinamen der Vereine entstanden oft auf kuriose Weise. 1915 zum Beispiel suchte man in Cleveland einen neuen Namen für das Baseballteam per Zeitungswettbewerb. Die Wahl traf den Vorschlag „Indians“ eines Fans, der an den ersten Indianer Louis Francis Sockalexis in der Major League erinnerte, der 1897 für die „Cleveland Spiders“ spielte. Das Collegeteam aus Tallahasse dagegen fragte vor der Namensgebung höflich beim Häuptling der Semioles an. Seitdem galoppiert vor jedem Spiel der „Florida State Semioles“, das Oberhaupt persönlich, auf einem Pferd durchs Stadion und rammt zur Segnung des Teams einen Speer in den Boden. Spötter fragen sich längst, wieviel Kisten Schnaps die Benediktion gekostet haben mag.

Die Proteste der Indianer während der „Worldseries“ wurden aufgrund des erstklassigen Sports kaum beachtet. Daß die „Braves“ ihren Namen in Zukunft ändern werden, darf bezweifelt werden. Trotzdem hat die Öffentlichkeit in Amerika das Anliegen der Ureinwohner durchaus registriert. Einige Schulen haben verlauten lassen, über die indianischen Spitznamen ihrer Sportmannschaften nachzudenken. Sogar die Braves- Fans traf der Protest der Indianer ins Mark. Einer gab zu: „Ich mache den Tomahawk Chop, aber verdammt, ich fühle mich schuldig. Ich denke, wir sollten es unterlassen. Aber manchmal, wenn's im Stadion losgeht, kann man einfach nicht widerstehen.“ Andreas Lampert

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