PRESS-SCHLAG: „Wir sind die Fans“
■ Der DFB versucht mit Fernsehspots Fußballanhängern ein neues Selbstwertgefühl zu verschaffen
Die Stimme kennt jeder. Und das, worüber sie spricht, haben alle schon mal gesehen. Wer es hört, bekommt dennoch immer wieder eine Gänsehaut. Denn Herbert Zimmermanns Gebrüll ruft in uns die Bilder automatisch ab: Helmut Rahn stürmt über halbrechts nach vorn und schießt zum 3:2 für die deutsche Mannschaft ein. Das „TOOR, TOOR“ des Reporters mahnt auch heute noch jedes Ohr: Nicht vergessen, 1954 wurden wir Weltmeister!
Und dieses „wir“ nahm die Düsseldorfer Agentur melony wörtlich. Für den DFB erarbeitete sie ein Konzept für eine Fan-Kampagne. Das vorläufige Endergebnis sind vier Fernseh-Spots. Einer dieser Spots zeigt zum legendären Zimmermann-Kommentar eben nicht die Spieler, sondern „uns“, das jubelnde Publikum. „Wir wollen mit der Kampagne neue Identifikationsmöglichkeiten schaffen, das ,Wir‘-Gefühl unter den Fußballanhängern verstärken“, so die Marketing-Experten Jörg Brandt und Kai Burchardt-Göbel. Denn Fußball lebe von den Zuschauern genauso wie von den Spielern. Also gibt es nicht eine einzige Spielszene in den Spots. Das einzige Thema ist der Fan.
Der DFB fürchtet sich vor dem Bild des Kunden. Denn Gewalt, Rechtsradikalismus und Haß gelten heutzutage als typische Kennzeichen für die Besucher eines Fußballspiels. Die Kampagne soll deutlich machen, daß das so nicht stimmt. Die Fußballfunktionäre in Frankfurt wissen, warum. Schließlich gehen viele potentielle Stadionbesucher aus Furcht vor Ausschreitungen nicht mehr zu den Heimspielen ihrer Lieblingsvereine. Das würde sich ändern, so glauben die Ideenlieferanten der Kampagne, wenn der Fan sich wieder mit den anderen Besuchern identifizieren könnte. Dann hätte er auch wieder das Selbstbewußtsein, sich zum Status Fußballfan zu bekennen. Daher versuchen die Fernsehspots auch positive Emotionen zu wecken. Grundmotiv ist jeweils la ola, die Welle, die alle Besucher mitreißt und verbindet.
Die Initiatoren machen sich allerdings keine Illusionen, mit ihrer Aktion an die Hooligans heranzukommen. „Aber wir machen sie wenigstens nicht so wichtig“, glaubt Jörg Brandt, „wir grenzen sie einfach aus, statt dessen.“ Deshalb verzichteten die Macher auf jegliche Gewaltdarstellung. An deren Stelle tritt die Abstraktion. In einem der Filmclips spülen 16.000 weiße Dominosteine, Symbole für den friedfertigen Fan, in einer Welle der Begeisterung ein paar sinnlos herumstehende schwarze Dominosteine einfach weg: 30 Sekunden, die allen den Rücken stärken sollen, beim Fußball Gefühle konstruktiv wirken zu lassen.
Die meisten Manager und Präsidenten der Bundesligaclubs waren bei einer Präsentation der Clips von der Kampagne sehr angetan. Selbst Leute aus den Fanprojekten finden sie interessant. „Normalerweise läßt sich der DFB nichts einfallen“, meint Sven Brux, Fanberater in Hamburg, „aber dieser Ansatz ist wirklich gut.“ Die Art der Darstellung unterstütze das, was die Projekte seit langem anstreben: Der Fan kontrolliert sich selbst , weil er im Fußball Identifikation findet. „Aber bei den Spots darf es nicht bleiben“, warnt Sven Brux, „jetzt muß der DFB endlich Taten folgen lassen.“
Denn so schön die Spots auch seien, wenn vom Fußballbund für die Vereinigung aller Fanprojekte (BAG) auch weiterhin kein Geld bereitgestellt werde, nützten auch die schönsten Kampagnen nichts. Schließlich sei nur dort direkter Umgang mit den Betroffenen möglich. „Und das ist wohl die Grundvoraussetzung für Identifikation“, meint Sven Brux. Thomas Ockers
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