PRESS-SCHLAG: Die Beckenbäuerin
■ Doris Fitschen, „Libero“ des Frauen-Nationalteams
Mir schmeichelt der Vergleich schon“, reagierte die letzte Frau des deutschen Frauenfußballs Doris Fitschen, als ihr jemand übersetzte, daß sie in chinesischen Sportzeitungen nur als „weiblicher Beckenbauer“ aufgeführt wird. Die blonde Wolfsburgerin beeindruckte Experten und Zuschauer der Weltmeisterschaft in Südchina gleichermaßen mit ihrer spielintelligenten Übersicht im Abwehrspiel und ihren dynamisch-leichtfüßigen Ausflügen in die gegnerische Spielhälfte. Der Wahl einer Weltauswahl am Ende dieses 1. WM-Turniers kann sie durchaus erwartungsvoll entgegensehen.
Dabei mußte Doris Fitschen fast zu ihrem Glück gezwungen werden. „Im Verein in Wolfsburg spiele ich im offensiven Mittelfeld und fühle mich dort auch sehr wohl“, erklärt sie ihren Positionswechsel: „Bundestrainer Gero Bisanz ließ mich dann Libero spielen und war wohl ganz zufrieden mit mir.“ So zufrieden, daß er während der Weltmeisterschaft in China auch jede Kritik abschmetterte, mit Doris Fitschen das desolate Mittelfeldspiel der DFB-Kickerinnen zu verbessern: „Doris soll die Abwehr zusammenhalten, damit ist uns am meisten geholfen“, meinte der Trainer, der als Dank für Fitschens Gehorsam nicht mit Lob für sie sparte. Mit einer Ausnahme: dem 2:5-Spiel gegen die US-Girls.
Sie waren athletisch einfach besser drauf als wir“, gestand Doris Fitschen, die mit zwei Schnitzern selbst zum Zerfall der bundesdeutschen Abwehr beigetragen hatte, nach dem Ausscheiden im WM- Halbfinale ohne Einschränkungen ein. Sie gehörte trotzdem zu den wenigen deutschen Spielerinnen, die den USA-Soccerinnen keine übertrieben harte Spielweise unterschoben. „Damit muß man leben, die spielen eben so athletikbetont“, widerspricht die Chefin der Verteidigung ihrem Trainer, der noch nach dem Halbfinale gemosert hatte: „Diese harte Gangart ist für den Frauenfußball nicht förderlich.“
Doris Fitschen gehört selbst eher zu den eleganten Spielerinnen. „Sie hat den spielgestaltenden Libero wieder in den deutschen Fußball eingeführt“, meinte ein deutscher Journalist nach ihren ersten weltmeisterlichen Auftritten. Trotzdem wird sie in der Bundesliga wieder auf ihre alte Position im Mittelfeld zurückkehren. „Eigentlich will man nach so einer Weltmeisterschaft erst einmal ausspannen“, denkt sie bereits an die Heimfahrt, die Belastung des WM-Turniers mit sechs Spielen in 14 Tagen war höher als bei den Männern, „sowas können sie eben auch nur mit uns Frauen machen.“
Doris Fitschen glaubt an keine Revolution im deutschen Frauenfußball nach dieser Weltmeisterschaft. „Die Medien berichten einfach zu wenig, dadurch bleiben die Zuschauer weg, und dann fehlen auch die Sponsoren“, hat sie analysiert. Vor zwei Jahren beim Bundesligastart versprach die „ARD- Sportschau“ pro Spieltag einen Spielbericht. Daran ist nicht mehr zu denken. Die Wolfsburgerin arbeitet im VW-Werk und hat keine Probleme mit Freistellungen für ihr Hobby. „Denn mehr ist der Fußball nicht für mich, obwohl ich nie nie sage“, antwortet die 23jährige auf die Frage, ob sie nicht auch lieber in den semiprofessionellen Ligen Schwedens oder Italiens spielen würde.
Das bessere Image des Frauenfußballs in diesen Ländern wäre allerdings kein Grund für die 38fache Nationalspielerin, ins Ausland zu gehen. „Als ich neun Jahre alt war, begann ich in Mädchenmannschaften zu spielen, da interessiert man sich noch für kein Image“, daran hat sich bei Doris Fitschen auch als Fußballweltstar wenig geändert. „Ich habe einfach Spaß an meiner Sportart“, wehrt sie auch verkrampfte Versuche ab, am Beispiel des Fußballs und seiner Sprache die Emanzipation der Frau beweisen zu wollen. „Es ist doch lächerlich von einer Libera zu sprechen, weil sowieso keiner weiß, wer gemeint ist“, sagt Doris Fitschen und stellt klar: „Ich bin einfach die letzte Frau.“ Hagen Boßdorf (Guangzhou)
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