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PRESS-SCHLAGDialektischer Bajuwarismus

■ Der FC Bayern München mag keine Ruhe geben

Wer geglaubt hätte, nach dem letzten Spieltag vor der Winterpause wäre erstmal Ruhe in der Bundesliga — Kicker, Trainer und Funktionäre würden sich schnellstens in den wohlverdienten Urlaub und danach zu ihren diversen Trainingsquartieren in Mexiko, Costa Rica oder auf die Kanaren begeben — hat sich schwer getäuscht. Und natürlich sind es wieder einmal die Münchner Bayern, die in bewährter Dialektik nicht ablassen können, sich gegenseitig weitere Federn auszurupfen.

Während Vizepräsident Franz Beckenbauer bei einer Diskussion mit Journalisten in einem Münchner Kaufhaus noch einmal herzhaft betonte, wie sehr ihm die Sache zum Halse heraushänge, daß die Mannschaft noch genauso grauslig spiele wie vor seiner Ankunft als Heilsbringer, und daß ganz Deutschland über den FC Bayern lache, äußerte sich Manager Uli Hoeneß im Fernsehen mal wieder diametral entgegengesetzt.

Kürzlich noch hatte er von Stefan Effenberg eins aufs Dach bekommen, weil er nach einem mageren Sieg gegen den Karlsruher SC das Wort Meisterschaft in den Mund genommen hatte, aber der mühselige Triumph gegen den Tabellenletzten aus Düsseldorf beflügelte ihn nun sogleich zu neuen Ausflügen nach Fantásien. „Der FC Bayern beginnt am 1. Januar zu attackieren“, drohte er, und das klingt erstmal vernünftig, denn dann ist wenig Widerstand zu erwarten, weil alle potentiellen Gegner in Urlaub sind. Aber es kam noch dramatischer. „Dann müssen sich einige trotz der Kälte warm anziehen“, fügte er kühn hinzu, und dunkel blieb der Sinn seiner Worte auch für jene, die im derzeitigen Zitatendschungel der Bayern noch nicht völlig die Orientierung verloren haben.

An die Adresse seiner Vizepräsidenten Beckenbauer und Rummenigge erging das Verdikt: „Es muß uns gelingen, Franz und Kalle da einzusetzen, wo sie notwendig sind.“ Gemeint waren mitnichten die Münchner Kaufhäuser, sondern die „Suche nach Spielern und Sponsoren“. Ein Mann auf dem Rückweg zur Macht.

Grundlage des Hoeneßschen Optimismus ist die vermeintliche Läuterung des Stefan Effenberg. Der hatte — zumindest halbherzig — versprochen, in Zukunft brav zu sein, und schon spürte Hoeneß: „Jetzt ist der Durchbruch gekommen. Die Mannschaft kommt wieder miteinander aus.“ Aha. Also war doch Effenberg die ganze Zeit daran Schuld, daß die Stürmer das Tor nicht recht trafen, die Verteidiger nicht den Ball, der Trainer nicht die richtige Taktik und die Vizepräsidenten nicht den richtigen T(h)on. Nur schade, daß das keinem früher aufgefallen war. Im letzten August zum Beispiel. Es wäre so einfach gewesen. Effenberg für ein Spiel auf die Bank, und die Bayern wären heute unangefochtener Tabellenführer.

Aber das kommt ja nun bald, nämlich vom 1. Januar an (siehe oben). Für das neue Jahr versprach Hoeneß den Fans endlich „den Fußball, den sie erwarten und den sie verdient haben“. Nur, welchen Fußball haben Fans verdient, die sich nun schon seit Monaten widerstandslos anschauen, was ihnen die Bayern vorsetzen? Von den Erwartungen gar nicht zu reden. Immerhin hat Uli Hoeneß das Wort Meisterschaft diesmal nicht geäußert, hätte ja sein können, daß Effenberg sonst wieder wütend wird, und dann wäre das ganze schöne Konzept für die kalte Zeit hinüber gewesen. Bliebe noch das Problem Lerby. Der Trainer müsse bleiben, meint Hoeneß, denn: „Es wäre nicht gerecht, ihm jetzt, wo wir die Nase langsam aus dem Sand stecken, zu sagen — das war's.“

War's das? — Für dieses Jahr wohl schon. Wir jedenfalls wünschen den Bayern einen guten Rutsch, wohin auch immer, und daß sie im Sommer nicht doch noch trotz der Hitze ohne Hemd dastehen mögen. Merke: Wer mit dem Mund im Sand steckt, sollte ihn nicht zu weit aufreißen. Matti

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