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PRESS-SCHLAGFußballer im Hotel

■ Defilee der Stars des Afrika-Cups im Ngor-Hotel

Der Hüftschwung, der legendäre, gelingt ihm nicht recht. Vielleicht fehlen Roger Milla in diesem betulichen Hotelambiente beim abendlichen Showprogramm einfach der Adrenalinstoß nach dem Torerfolg, die Eckfahne und erst recht die aufgeheizte Stimmung eines Stadions. So wackelt Milla auf Bitten des Conférenciers nur etwas steif mit dem ganzen Körper. Der Applaus der Hotelgäste aber ist ihm gewiß: Millas Popularität als Afrikas Fußballbotschafter Nummer eins ist eineinhalb Jahre nach seinen spektakulären Toren und Tänzen bei der Weltmeisterschaft in Italien ungebrochen.

Auch wenn er in Dakar nicht mehr im Nationalteam Kameruns aufläuft, sondern die Spiele der 18.Afrikameisterschaft für einen niederländischen Radiosender kommentiert — niemand ist für Journalisten, Touristen und Spieler ein so begehrtes Objekt des Interesses wie der 39jährige Stürmer a.D.

Dabei hat man im Ngor-Hotel die freie Auswahl. In dem sanft verschlampenden Hotelkomplex ostblockartiger Bauart, direkt am Meer und ein paar Kilometer entfernt vom stickigen Moloch Dakar gelegen, sind fast alle versammelt, die etwas mit dem Afrika-Cup zu tun haben.

Ein Bier mit Clemens Westerhoof, dem holländischen Trainer Nigerias, trinken und erfahren, warum seine Mannschaft die Meisterschaft gewinnen wird? Eines der in Afrika im Gegensatz zum Autogramm sehr beliebten Erinnerungsfotos beispielsweise mit den marokkanischen Spielern machen? Kameruns Altstar Makanaky beim eitlen Promenieren und Schwatzen mit Gott und der Welt zuschauen? Journalisten und Urlauber haben das hier frei Haus.

Frei vom Glauben, Nationalmannschaften müßten bei einem großen Turnier hermetisch von Gegnern und Gaffern abgeschottet werden, haben die senegalesischen Meisterschaftsorganisatoren alle Teams, die in Dakar ihre Gruppenspiele austragen, in einem Hotel untergebracht. Lediglich die Mannschaft des Gastgeberlandes genießt das Privileg, in einem anderen Hotel zu wohnen. Beschweren können sich die fünf übrigen Teams kaum, denn die Turnierorganisation hat nicht nur die Hotelwahl getroffen, sondern bezahlt auch Unterkunft und Verpflegung für alle Beteiligten.

Der Komplex des Ngor-Hotels ist eine Insel, fern des Elends und der Armut der Stadt, fern auch des Stadions, wo alle zwei Tage die träge Monotonie unterbrochen wird. Nach einer Woche gestaltet sich das Leben im Hotel wie der Aufenthalt in einem etwas langweiligen, dafür aber sehr familiären Feriencamp. Die Bar am Swimmingpool ist längst in fester Hand der marokkanischen Spieler. Ob am Morgen eines spielfreien Tages oder am Abend nach der Niederlage im Eröffnungsspiel, man kann risikolos darauf wetten, einen Pulk roter Trainingsjacken an der Bar zu sehen.

Weitere Vertreter der lässig gelangweilten Badelatschenkultur sind die Nigerianer. In kernigem Selbstbewußtsein schlurfen die durchweg kräftigen und durch Bodybuilding gestählten Spieler regelmäßig am Swimmingpool entlang. Der mit dem Identifizieren der schwarzen Kicker noch überforderte Europäer unterscheidet dabei zunächst so: Die Nigerianer sind die mit den schwarzen Trainingshosen, die schon so gucken, als könne ihnen niemand das Wasser reichen. Läuft in etwas zurückhaltender Manier eine Abteilung grünbehoster Spieler durchs Bild, so handelt es sich um die Mannschaft aus Zaire.

Rotbehost sind hingegen die Kenianer. Doch das braucht man sich fast nicht zu merken, denn die Underdogs, die fast durchweg in heimischen Amateurvereinen spielen, machen sich inmitten der vielen Stars und Sternchen aus europäischen Profivereinen rar.

Und würden doch gerne auch irgendwie dazugehören. „Hey, you are from Germany. You know a club for me in Germany?“ Dafür nun wieder sind die Spielervermittler aus dem Fußball-Mekka Europa zuständig. Auch die tummeln sich mit jedem Turniertag zahlreicher und emsiger auf dem Gelände. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Katrin Weber-Klüver (Dakar)

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