PRESS-SCHLAG: Die kurze Rückkehr
■ Souleyman Sanes senegalesisches Team schied im Viertelfinale des Afrika-Cups gegen Kamerun aus
Fünftausend Kilometer südwestlich von Wattenscheid ist er „L'allemand“, der Deutsche. Jeder Senegalese, der sich für Fußball interessiert, und das tun eigentlich alle, weiß, daß ihr Nationalmannschaftsstürmer Souleyman Sane in Deutschland als Profi spielt, daß er in Wattenscheid „Sammy“ genannt wird, daß er „eine sehr schöne Frau hat, die Deutsche ist“. Und Sane weiß, daß „die Leute hier stolz sind, weil ich der einzige Senegalese in der Bundesliga bin“.
Anfang Januar ist Sane aus dem Ruhrgebiet in Senegals Hauptstadt Dakar zurückgekehrt, um beim 18. Afrika-Cup für das Gastgeberland Tore zu schießen. „Das ist mein Land, ich freue mich einfach, hier spielen zu können“, sagt er. Zwei Tage zuvor hat er gegen Kenia sein erstes Turniertor geschossen, eines, das Senegal die Tür zum Viertelfinale öffnete.
Es ist ein heißer Nachmittag, nur ein laues Lüftchen weht vom Meer den Hang herauf. Zwischen den üppig sprießenden Pflanzen der eleganten Anlage des Savana-Hotels sieht man auf der anderen Seite der Bucht die schäbigen Hochhäuser der Vier-Millionen-Stadt Dakar; vor der Küste liegt die ehemalige Sklaveninsel Gorrée, heute eine der größten Touristenattraktionen der Stadt. Eigentlich ist auch Sane ein Tourist. Das Land, in dem er 1961, im ersten Jahr der senegalesischen Unabhängigkeit von Frankreich, geboren wurde, kennt er nur von ein paar Besuchen. Vier Jahre war er alt, als seine Familie aus der Casamanca, dem fruchtbaren armen Südsenegal, nach Toulouse auswanderte. Dort und in Paris ist er aufgewachsen.
Die halbe senegalesische Nationalmannschaft verdient ihr Geld in Europa, die meisten in Frankreich. An Popularität laufen dem deutschen Legionär Sane die französischen Profis noch den Rang ab, vor allem Torjäger Jules Bocandé und Libero Roger Mendy. Leitwölfe jedoch sind die Profis für die Amateure von Diaraf Dakar und Jeanne d'Arc Dakar allesamt. „Die Jungen hören auf uns. Alle wollen es wie wir nach Europa schaffen.“ Der Umstand, daß sie dort allein schon wegen ihrer Hautfarbe starke Nerven und Selbstbewußtsein brauchen, schreckt keinen, sagt Sane: „Wir Schwarzen kriegen überall Probleme. Das wissen die Jungens. Sie wollen trotzdem weg.“
Doch das Schlaraffenland im satten Europa wird für die meisten Senegalesen ein Traum bleiben. Auch das weiß Sane. Daß in Afrika immer noch nach dem Lustprinzip gekickt wird und „jeder macht, was er will“, erschwert den Sprung in den vergleichsweise fast militärisch disziplinierten Fußball Frankreichs oder gar Deutschlands. Das afrikanische Publikum liebt die Spielereien, kleine Finten und den Schabernack, also wird Entsprechendes geboten. Hinterher, so kennt es Sane, „sagen die Leute: Wir haben verloren, aber super getrickst.“ Sane hat seine Lektion in effektivem Spiel früh gelernt. In seinen französischen und später deutschen Vereinen hat er rigoros eingebläut bekommen, daß der Ball ins Tor muß — besser trocken rein, als spektakulär vorbei.
Genutzt hat Souleyman Sane die europäische Schulung beim Afrika-Cup schließlich wenig. Als halblinker Stürmer einer konzeptlosen Elf stand er im Viertelfinale auf verlorenem Posten, seine Mannschaft verlor mit 0:1 gegen die auch nicht eben begeisternden alten Männer aus Kamerun, die ebenso wie Nigeria (1:0 gegen Zaire) ins Halbfinale einzogen. Etwas fassungslos stand Sane nach dem Debakel und im Angesicht von 40.000 maßlos enttäuschten Zuschauern auf dem Rasen — vorbei der Ausflug in Afrikas exotische Fußballwelt. Katrin Weber-Klüver (Dakar)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen