PRESS-SCHLAG: Afrikanischer Ausverkauf
■ Die Spielermakler treten sich bei der Afrikameisterschaft gegenseitig auf die Füße
Aufgeregt wieselt Domenico Ricci über die Tribüne des Stadions L'Amitie in Dakar. „Wer ist denn aus Deutschland da?“ fragt er und reckt den Hals auf der Suche nach der Konkurrenz. Derweil verfolgt Wolfgang Fahrian an der Seite seines Geschäftspartners Antonio Caliendo aufmerksam die Bewegungen auf der Tribüne. Welcher Spielervermittler schwatzt da mit dem Funktionär aus Kamerun? Wer hält einen Plausch mit dem Abgesandten des AC Turin?
Die Zunft der Spielermakler belauert sich gegenseitig mit Argusaugen, denn die 18. Afrikameisterschaft ist die größte Börse, die es jemals im afrikanischen Fußball gegeben hat. Nach den Erfolgen afrikanischer Mannschaften in den letzten Jahren ist ein Goldrausch ausgebrochen. Viele Klubs aus Europa wollen ihrem Publikum nun einen Afrikaner anbieten und hoffen dabei auf einen zweiten Roger Milla, Abedi Pele oder George Weah. Für den Liberianer bezahlte Monaco vor zwei Jahren 200.000 Dollar, heute bieten italienische Klubs acht Millionen. Auch den Spielermaklern versprechen preiswerte Talente aus Afrika auf dem europäischen Markt mitunter satte Rendite.
Die Makler haben das Geschäft in Dakar fest in der Hand, denn nur wenige Klubs haben eigene Beobachter geschickt. Aus der Bundesliga sind lediglich Bayern München und der VfB Stuttgart vertreten. Allein die italienischen Großvereine sind fast geschlossen anwesend. Den anderen scheinen die nicht selten abenteuerlichen Ablöseverhandlungen mit afrikanischen Vereinen und Verbänden zu kompliziert — und sie verschenken dabei viel Geld.
Das Geschäft mit den preiswerten Talenten ist beim 18. Afrika- Cup aber nur ein Aspekt. Satter Gewinn ist vor allem mit den Stars zu machen. So sind auch fast alle auffälligen Spieler dieses Turniers wie Kalusha Bwalya (PSV Eindhoven), Anthony Yeboah (Eintracht Frankfurt) oder Abedi Pele (Olympique Marseille) bereits in Europa unter Vertrag. Für sie geht es vor allem um einen Wechsel nach Italien.
Domenico Ricci schwärmt so überschwenglich und idealistisch vom schwarzen Kontinent, daß man fast vergißt, einem Spielermakler gegenüberzusitzen. Der 38jährige Italiener philosophiert über die Weisheit Afrikas und seine eigene Suche nach dem Verständnis schwarzer Körperlichkeit. Der ehemalige Profi von Lazio Rom und Cagliari hat sechs Jahre mit seiner afrikanischen Frau in Zaire und im Kongo gelebt und dort als Trainer gearbeitet.
Ich kenne und verstehe Afrika — nicht nur den Fußball — wie kein anderer in unserem Geschäft“, behauptet er daher. Dieses Wissen setzt Ricci seit dem letzten Jahr für den römischen Anwalt Dario Covani ein. Im Sommer 1991 machten sich Covani, Ricci und ihr neugegründetes African Football Management mit dem Transfer der drei ghanaischen Jungstars Gargo, Duah und Kufana aus der Mannschaft des Jugendweltmeisters Ghana zum AC Turin einen Namen. Die 1,5 Millionen Dollar für diese Jugendlichen aus Afrika waren ein Signal. Endlich hatten die Preise eine für Italien interessante Höhe erreicht.
Das African Football Management will mit Hilfe italienischer Großklubs in Afrika Fußballschulen nach brasilianischem Vorbild aufbauen. „Mit 150.000 Dollar kann eine solche Schule, in Ghana etwa, 120 Spieler zwei Jahre lang ausbilden. Und da ist mindestens ein Star dabei“, erklärt Ricci. Auf ein solches Talent hätte dann ein Verein wie Juventus Turin, der bereits Interesse an dem Modell bekundet hat, den ersten Zugriff.
Um mit diesen Spielern zu arbeiten, sollen zudem afrikanische Trainer in Europa ausgebildet werden. In möglichst jedem afrikanischen Land will das African Football Management Kontaktleute haben. Im Moment sind es zwölf. Für 10.000 Dollar im Monat werden deren Informationen über Talente zur Zeit exklusiv den italienischen Vereinen Torino und Udinese angeboten, die sich damit auch ein Vorkaufsrecht gesichert haben. Um schließlich auch das Medieninteresse am afrikanischen Fußball zu steigern, will Ricci sogar einen Pressedienst starten.
Zur Zeit ist Domenico Ricci aber vor allem ein umgetriebener Spielervermittler. Die Aufregung dabei wird von Tag zu Tag größer. „Die Franzosen, Belgier und Portugiesen können nicht mehr mithalten“, sagt er. „Die einzigen, vor denen ich noch Angst habe, sind die anderen Italiener und die Deutschen.“ In Dakar werden nur die kleineren Transfers abgeschlossen, aber der Countdown für den ersten Transfer eines afrikanischen Profis nach Italien läuft. Christoph Biermann
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