PRESS-SCHLAG: Meikel Tscheng gegen Hennrih Le Kong
■ Ahnungslose Ansager und peinliche Pannenfülle beim Telefonservice des Sportinformationsdienstes
Diese Angaben sind ohne Gewähr.“ Bisweilen, beim Lotto etwa, mag ein solcher Satz formaljuristisch geboten sein. Wenn er von einer Agentur kommt, deren Nachrichten sonst allüberall als unüberprüfte „Wahrheit“ gedruckt oder gesendet werden, erstaunt er. Dennoch ist er wahrscheinlich nirgends so wichtig wie hier: Denn was der Sportinformationsdienst ('sid‘) in seinen Telefonansagen unter 1161 oder 1163 per Tonband mitzuteilen hat, ist lückenhaft, unzuverlässig und von großen realsatirischen Künsten geprägt.
Erste Beispiele: Vom „Babfahren“ ist die Rede oder von schnellen Autos der Marke Zitrön. In Sankt Antohn wird skigelaufen, gesegelt in kräftiger Brise vor Briesbejn. Auch deutsche Namen sind bisweilen falsch: Brigitte Borendonk beschuldigt Katrin Grabbe aufs Neue wegen Doping. Falsche Betonungen sind so häufig, als machten die Ansagerinnen und Ansager daraus einen internen Wettbewerb; selbst der eigene Name „Sportinformationsdienst“ wird schon mal falsch betont. Die SprecherInnen demonstrieren bei jeder Ansage aufs Neue eine offenbare Ahnungs- und Interesselosigkeit. Die Folge: sie lesen ihre Texte mit der gleichen Ignoranz ab wie ein Bewohner der Sahelzone die Wasserstandsmeldungen vortragen würde.
Ganz schlimm wird es, wenn Fremdsprachenkenntnisse vonnöten wären. Und der Sport ist bekanntlich sehr international. Da werden Menschen präsentiert, die man nur mit reichlich Phantasie wiedererkennt. Etwa im Tennis: Da spielen Göran Iwanitz- Tschitsch gegen Hennrih Le Kong oder Meikel Tscheng gegen Tschim Körrier, ersatzweise auch gegen Kuhrier. Monika Selitsch schlägt zu, während Mats Willander ein „Unterview“ gibt und andere im Mixett in Mehlborn die Bälle prügeln. Viele Ausspracheversuche von Buchstabenkombinationen, die nicht wie Müller oder Meier klingen, beginnen mit einer klitzekleinen Pause — lang genug indes, daß der routinierte 'sid‘-Kunde weiß: jetzt ist wieder der Moment einer kreativen phonetischen Neuschöpfung gekommen.
Den britischen Inseln wird besonders arg mitgespielt: Fußballergebnisse kommen aus Leischester, aus Njukastle oder Portmaus. Scheffield Wed-Ness-Dai spielt groß auf, auch Celtic Glasgow mal als Kelltick, dann als Tschelltitsch. Pohl Kesskeun ist immer noch verletzt. Kontinentaleuropäischer Fußball führt nach Malm-Ö, nach Kall-Jaari und zu Benfischa Lissabohn. Meik Theissen (der Boxer, nicht der Frauenarzt) ist wieder gesund, das wurde in Las Vegas/Kalifornien festgestellt. Hoffentlich sucht er den Ring nicht in Nevada.
Manchmal wird man auch zum Rätselraten animiert: „In der Europaliga der Damen müssen die Deutschen heute gegen Holland antreten. Das Ergebnis hören Sie gegen...“ Hoffentlich sagen sie dann freundlicherweise auch die Disziplin dazu.
In der Eishockey-Bundesliga, so vernehmen wir erstaunt, hat der Rosenheimer Deil Dörrkrätsch ein Tor geschossen. Das tut der oft, aber davon erfahren wir nicht immer. Denn es gibt nicht nur permanente Aussprache-Kapriolen beim 'sid‘, sondern auch peinliche Lücken.
Etwa die Eishockey-Bundesliga. Die ersten Spieltage im Herbst wurden ignoriert, war wohl zu warm, als daß die zuständigen Redakteure ans eisige Schlägerkreuzen dachten. Das gleiche passierte nach der Weihnachtspause — aktueller Ergebnisdienst: Fehlanzeige. 23Pfennig — fast zehn Minuten leiert das Band, bis es wieder — klack, noch eine Einheit — von vorn beginnt. Als sich der 'sid‘ des Hockeys wiedererinnert hatte, hieß es: „Gegen 22.30Uhr hören Sie die aktuellen Ergebnisse der Eishockey- Bundesliga.“ Endlich wieder Verläßlichkeit? Denkste: Weit nach Mitternacht lief immer noch das gleiche Band, von Resultaten keine Spur. Und nicht einmal ein winziges Sterbenswörtchen über das Schicksal von Deil Dörrkrätsch. Bernd Müllender
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen