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PRESS-SCHLAGElf Lügner sollt ihr sein

■ Sechste Deutsche Alternativ-Meisterschaft: Die Zukunft des Weltfußballs kommt aus Aachen

Sepp Herberger würde sich im Grab umdrehen: Elf Freunde machte er einst aus der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Doch die großen Sieger der Moderne sehen anders aus: Elf Lügner sind sie, die neuen Deutschen Meister im Alternativfußball. Denn die „Roten Nullen Aachen“ erschienen nicht einmal zum Endspiel gegen das „GrandHotel Köln“ in roter Tracht, noch waren sie Nullen. Überhaupt ist das ganze Team ein einziges Fake. Einzig für diese 6.Meisterschaft kreuzten sich die Aachener „Kullen Nullen“ wie gewohnt mit „RoterStern Sowieso“, deren verschlagener Trainer bis dato standhaft behauptete, sein Team habe zuviel Intellekt, um die Krone erringen zu können.

Doch Ablenkungsmanöver hin und her, man hätte es spätestens nach der überlegenen 8:0-Punkte- Vorrunde merken müssen. Wenn sich nicht alle Ängste auf den routinierten Vorjahresmeister und Turnierausrichter „Partisan Eifelstraße“ konzentriert hätten. Doch die Partisanen ereilte ein ähnliches Schicksal wie 1991 den Titelverteidiger „Hinter Mailand“ aus Freiburg. Die Organisation band zuviel Energie beim Traditionsklub, der gleichzeitig seinen zehnten Geburtstag feierte. Dabei versuchten sie alles: Zu jeder Halbzeit wechselten sie alle Partisanen aus.

Eine zusätzliche Belastung für Partisanen-Chef und „Bunte Liga“-Eminenz Achim Blickhäuser war die in Altlatein durchgeführte Korrespondenz mit dem Heiligen Vater. Der Papst nämlich ist seit Anfang 1992 Ehrenmitglied der „Bunten Liga“, die sich so vorbildlich für die wahren Werte des Sports unter Ablehnung jeglicher unmenschlichen Tendenzen einsetzt. Eine Nachricht, die den DFB-Schatzmeister Egidius Braun vollkommen aus dem organisierten Fußball-Häuschen brachte. So entschloß sich Blickhäuser zu einer großen Geste: Um den DFB, der sich bislang weigert, die Bunten in seine Reihen und damit in die finanzielle Förderung aufzunehmen, gütlich zu stimmen, bat er das heilige Ehrenmitglied, auch Braun in seine Gebete aufzunehmen. Doch der Papst will nicht: In allerheiligstem Ton segnete er die „Bunte Liga“, ging jedoch mit keiner Silbe auf Egidius ein. Eine Entwicklung, die Blickhäuser derart verwirrte, daß ihm und seinen Partisanen etwas zustieß, was einmalig ist in der Geschichte der „Bunten Liga“: Die Partisanen verpaßten es, den „Bongo-Bongos“ die Buschröckchen auszuziehen und belegten hinter den Wilden aus dem Westerwald nur Platz sechs.

Wahrlich alternativ gaben sich hingegen die Altmeister „Petermann Stadtgarten“ aus Köln und „Hinter Mailand“: Nach dem 1:1-Unentschieden verweigerten die zweiundzwanzig Freunde das Elfmeterschießen und teilten sich Platz siebenacht. Vor eine noch härtere Probe wurden die Organisatoren beim Zusammentreffen von „Beton-Union Köln“ und den „Vincenz-Park-Rangers Mainz“ gestellt. Die nämlich betraten den Rasen allesamt oberkörperfrei und streiften alsdann nach dem Zufallsprinzip die Trikots über. Derart gemixt kickten sich die Beton-Rangers alias Vincenz-Union zur Freude der phonmäßig unübertroffenen Beton-Fans auf Rang dreizehnvierzehn.

Als große Entdeckung des Turniers präsentierten sich „Herbergers Enkel“. Ein völlig unbekanntes Freakteam aus Bielefeld konterte sich unhaltbar in die Herzen der Alternativos. Engelsgleich schwebten die jungen Enkel trotz durchzechter Nacht über die ergrauten Gegner hinweg. Einzig Vizemeister „Grand Hotel“ rettete ein Unentschieden und gewann zur Bestürzung der Fans das Elfmeterschießen.

Die wahre Überraschung jedoch war die Betriebskampfsportgruppe der „taz Berlin“. In völliger Umkehrung der Ankündigung im Programmheft — „die Leistungkurve zeigt nach unten“ — katapultierte sie sich steil nach oben. Haushoch gewannen sie mit 1:0 ihr erstes Match gegen die „Nürnberger Roten Sterne“. Es folgten drei zu verschweigende taktische Niederlagen, und dann war es „Roter Stern Bremen“, der die taz raushaute: Der Alt-Autonome Uwe Grunewald schoß die Bremer zum 3:2-Sieg gegen das neue Liga-Schlußlicht Nürnberg (Teamchef Bernd Siegler kniff wegen Heuschnupfens) und ermöglichte dadurch den taz-Einzug in die Runde von Platz neun bis fünfzehn.

Zur grenzenlosen Verblüffung aller landete das vom niederländischen Untergrund inspirierte Team um „van Basten“ Matti Lieske, Abwehrbollwerk Herr Thömmes „Koeman“, „Wouters“ Wolf und „Rijkaard“ Tute sowie Gullit-Verschnitt Christian Nialki nach streckenweise echtem Fußball, auf Platz zehn.

Doch nach „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ ist es noch ein weiter Weg. Die heimliche Hauptstadt des deutschen Fußballs ist unabdingbar Aachen. Der miese sechzehnte Platz von „Juventus Senile“ darf getrost als Ausrutscher gelten, zu stark war der Schock nach dem verletzungsbedingten Aus von Leistungsträger und Chefeinpeitscher Bernd Müllender. So blieb es wieder Achim Blickhäuser vorbehalten, das Meisterschaftsfazit zu ziehen: „Die Zukunft des Weltfußballs liegt nicht in Afrika. Fußball 2000 kommt aus Aachen.“ miß

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