piwik no script img

PRESS-SCHLAGPinocchio auf der Tribüne

■ Andreas Möller — die unvollendete Geschichte

A disposizione“ stehe Andreas „Andy“ Möller in Turin, schrieb die Gazzetta dello Sport nach dem schlußendlichen (?) Wechsel des Eleven von Ex-Eintracht-Manager Klaus Gerster zu „Juve“ — ein schlichtes Todesurteil der auflagenstärksten italienischen Sportzeitung, die Möller einen deutschen „Pinocchio“ nannte.

Schon vor Wochen hatte das deutsche Satiremagazin Titanic sein Strafgericht an die Ostsee geschickt, um Möller exekutieren zu lassen. Und Andy lief den Comic- Scharfrichtern vom untergehenden Narrenschiff zum Autodafé direkt in die Arme, weil er glaubte, daß das „T“ auf den Kapuzen der Henker für Turin stehen würde. In Rostock, als die Eintracht mit Möller die Meisterschaft versiebte, war dieser wortlos vom Platz geschlichen, denn er hatte sein „Lügenbuch“ (Kruse/Eintracht) in Frankfurt vergessen. Nach der Hinrichtung von Andy durch das Titanic- Strafgericht balgten sich die Bestattungsunternehmer um die Leiche: „Der Andy werd' in Offebach beerdischt. Basta! Schließlich hat er bei uns noch en Verdraach unnerschriwwe.“

Der symbolischen Beerdigung des Mittelstürmers folgte die sportliche auf dem Fuße. Weil er mit seinen Füßen in den Stadien von Schweden nur die Grasnarben traf, wurde Möller von Berthold Vogts zu recht ausgemustert. Dabei hätten ihm die alten Knodderer vom Riederwald, die kein Training der Eintracht versäumen, schon vor Turnierbeginn sagen können, daß ein Möller ohne Bein für eine Fußballmannschaft in etwa so wertvoll ist wie ein Torwart ohne Unterleib: „Ohne den Uwe is der Andy doch en Ausfall.“

Am Main wird durchgeatmet, seit Möller und Gerster tatsächlich über die Alpen gezogen sind — auch wenn die Eintracht jetzt via Justitia ihrem Geld (fünf Millionen) nachlaufen muß. Gerster kam als Nachzügler nach Turin, weil er das Lügenbuch von Andy erst noch ins Italienische übersetzen mußte.

Daß Möller nun in Turin nur auf der Tribüne sitzen wird, weil Juve mit Kohler (Deutschland), Cesar (Brasilien) und Platt (England) noch drei bessere Ausländer eingekauft hat, ließ die Knodderer vom Riederwald beim ersten Training der Eintracht nach der Sommerpause frohlocken: „Daß der auch in Idalie eins auf'n Sack kriecht, is' werklich göttlich. Da werd er sei Lüchemaul glei widder uffreiße.“ Gesagt — getan: „Die eigentlichen Betrüger sitzen in Italien“, hatte Möller noch in Frankfurt zum Fall Möller erklärt.

Wie von involvierten Greisen zu erfahren war, dränge Klaus Gerster sein Ziehkind Möller inzwischen schon zur Rückkehr in die Bundesliga. Doch „bitte, bitte!“ nicht nach Frankfurt — aber vielleicht nach Dortmund? Denn von da wollte Möller ohnehin „niemals weggehen“ (O-Ton Möller 1990). In diesem Transferfall hätte die Eintracht in dieser Saison echte Chancen, Meister zu werden: „Go! Andy! Go!“ Klaus-Peter Klingelschmitt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen