PRÄSIDENTENWAHL: DEN MEISTEN POLEN IST EGAL, WER SIE REGIERT : Zwischen rechts und rechts außen
Polens Wähler haben die Demokratie satt. Das Recht, ein eigenes Parlament und einen eigenen Präsidenten zu wählen, ist den meisten Polen nichts wert. Nur jeder zweite gab am Sonntag seine Stimme ab. Vor zwei Wochen, bei den Parlamentswahlen, blieben gar sechzig Prozent der Wähler zu Hause. Nun hat zwar ganz knapp Donald Tusk von der konservativ-liberalen Bürgerplattform das Rennen vor seinem Widersacher Lech Kaczynski vor der rechtspopulistischen Recht und Gerechtigkeit gemacht. Doch in zwei Wochen müssen Polens Wähler zum dritten Mal abstimmen. Rein formal wird zwar in der Stichwahl am 23. Oktober nur der Präsident Polens gewählt, tatsächlich aber können erst dann sinnvolle Koalitionsverhandlungen zwischen Konservativen und Rechtspopulisten beginnen.
Bei dieser Stichwahl nun tritt kein rechter gegen einen linken Kandidaten an, vielmehr kämpfen zwei Rechte um das höchste Amt im Staate, wollen aber nach diesem Kampf friedlich miteinander regieren. Dies hinzubekommen, ist ein schwieriger und gefährlicher Balanceakt – der wohl nicht gelingen wird. Zwar haben beide Kandidaten angekündigt, in den kommenden zwei Wochen keinen aggressiven und schmutzigen Wahlkampf führen zu wollen, doch Lech Kaczynski hat längst eine Möglichkeit gefunden, andere die Dreckarbeit für sich machen zu lassen.
Im katholisch-antisemitischen Sender Radio Maryja rief Pater Tadeusz Rydzyk dazu auf, die Bürgerplattform und ihren Kandidaten „absaufen“ zu lassen. In der ebenfalls zum Medienimperium Rydzyks gehörenden Zeitung Unser Tagblatt erklären Geistliche, die sich zudem mit einem Professorentitel schmücken, dass Tusks Wirtschaftsliberalismus jüdisch inspiriert sei. Fast alle rechtsradikalen Zeitungen Polens, die überall im Lande an den Kiosken zu kaufen sind, rufen zur Wahl Kaczynskis auf.
Über der Hälfte der Polen ist völlig egal, wer ihr Land regiert, und seien es Rechtspopulisten. Es reicht eben nicht, die Demokratie einmal zu erkämpfen. Man muss – wenigstens einmal in vier Jahren – etwas für sie tun. Das haben die meisten Polen bis heute nicht begriffen. GABRIELE LESSER