PORTRAIT: Ritter der Neuzeit gegen den gottlosen Kommunismus
■ Der Gründer des Opus Dei, der katholische Priester José María Escrivá de Balaguer, wollte für Gott kämpfen und in die Geschichte eingehen
„Ich ahnte, daß der Herr mich für etwas Neues suchte“, sagte José María Escrivá de Balaguer y Albas einmal über sich. Schon als junger Mann war der 1902 geborene Katholik aus dem nordspanischen Kleinstädtchen Barbastro wie besessen von der Idee, in seiner Kirche ganz nach oben zu kommen. Er wollte für Gott kämpfen und in die Geschichte eingehen. Mit 23 Jahren empfing er die Priesterweihe und versuchte sich kurz als Vertretungspfarrer in einer kleinen spanischen Gemeinde. Doch schon nach acht Wochen hängte er den Job an den Nagel.
Im Grunde habe er nie ernsthaft beabsichtigt, eine Laufbahn in der Kirchenhierarchie einzuschlagen, schrieb Historiker und Opus- Dei-Mitglied Peter Berglar in einer Biographie. Escrivá de Balaguer suchte und fand einen anderen Weg nach Rom. Er studierte Jura, bis ihn am 2. Oktober 1928 die „göttliche Eingebung“ einholte, er solle ein „Werk“ gründen. Er begann eine Organisation aufzubauen. Die Ordensmitglieder sollten bürgerlichen Berufen nachgehen, dort größtmöglichen Erfolg und Einfluß anhäufen und neue Mitglieder werben. Es sollten elitebewußte, durchsetzungsfähige Führungspersönlichkeiten sein, die ihr Leben dennoch ganz dem Orden unterordneten. Die „Numerarien“, die eigentlichen Mitglieder, hatten ein Keuschheitsgelübde abzulegen und in ordenseigenen Häusern zu leben. Assoziierte Mitglieder, die „Supernumerarien“, durften heiraten und lebten nach etwas weniger strengen Regeln, mußten jedoch ein Zehntel ihrer Einkünfte an das Opus abtreten. Frauen traute Escrivá de Balaguer die Fähigkeit zum gottesfürchtigen Leben nicht zu. Erst 1930, nachdem ihn Gott in einer „correctio divina“ ausdrücklich darum gebeten hatte, gestattete er ihnen überhaupt den Zugang zu seinem Eliteorden. Einblick in den Orden gewährte Escrivá de Balaguer nur ganz wenigen. Selbst Papst Johannes XXIII., der nachfragte, über wieviel Kapital die Organisation verfüge, bekam keine Auskunft. Seine Anhänger verdonnerte Escrivá de Balaguer zur „Vertraulichkeit“. Über ihre Mitgliedschaft im Opus Dei sollten sie nicht sprechen. Erst 1939, nachdem Franco in Spanien die Macht übernommen hatte, konnte sich das Opus Dei voll entfalten. Sich selbst sah Escrivá de Balaguer, wie er in seinem Standardwerk Der Weg mit 999 Verhaltensregeln schrieb, als „Ritter der Neuzeit, der die wahren Gläubigen in den Kampf gegen die gottlosen Kommunisten“ führt. Ganz ähnlich schätzte er auch Hitler und Franco ein. Noch lange nach Kriegsende bezeichnete er die beiden Diktatoren als „Retter des katholischen Glaubens gegen den kommunistischen Atheismus“, wie der Priester Vladimir Feltzman berichtet. Feltzman, der dem Opus Dei von 1959 bis 1985 angehörte, sagte der US-amerikanischen Wochenzeitung 'Newsweek‘, der Ordensgründer habe auch den Holocaust heruntergespielt. „Tatsächlich hat Hitler nur vier Millionen Juden ermordet“, soll Escrivá de Balaguer dieser Quelle zufolge gesagt haben.
Den Kult um seine Person hat der sendungsbewußte Ordensgründer schon zu Lebzeiten betrieben. Seine Anhänger mußten ihn „Vater“ nennen. Opus Dei sollte an die Stelle ihrer Familie treten. Ehemalige Mitarbeiter beschreiben Escrivá als launischen, selbstgefälligen und hochmütigen Charakter. Ex-Ordensmitglied Maria del Carmen Tapia, die 18 Jahre lang für Escrivá arbeitete, als der bereits nach Rom übergesiedelt war (1946), erinnert sich, daß ihr früherer Chef das „Opus Dei über die katholische Kirche stellte“. Die Aussöhnung mit der Kirche von Rom kam für Escrivá de Balaguer erst nach seinem Tod im Jahr 1975: Der polnische Papst Wojtyla nannte ihn schon bald einen „Verehrungswürdigen“, verlieh seiner Organisation den Rang einer Personalprälatur und organisierte ein Heiligsprechungsverfahren im Eiltempo. Dorothea Hahn
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