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PORTRAITIbrahim Babangida und die Neue Weltordnung

■ Die Visionen des Präsidenten der Bundesrepublik Nigeria, der in den vergangenen Tagen zu einem Staatsbesuch in der Bundesrepublik Deutschland weilte

Berlin (taz) — Was haben Deutschland und Nigeria gemeinsam? Beide sind Bundesrepubliken. Beide sind führende Wirtschaftsmächte in ihren Weltregionen. Beide wollen mehr oder weniger deutlich einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat. Und die Bürger beider Länder sind „stark, diszipliniert, verläßlich, bildungsfähig und produktiv“: General Ibrahim Babangida, Präsident der Bundesrepublik Nigeria und amtierender Vorsitzender der Organisation Afrikanischer Einheit, verbirgt in Berlin seinen Enthusiasmus für deutsche Tüchtigkeit nicht. Im wallenden weißen Boubou mit aufgedruckter Afrika-Karte auf dem Rücken entwarf er am Mittwoch abend vor den Zuhörern der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ eine mathematisch präzise Neue Weltordnung: Technologie der Weißen plus Arbeitskraft der Schwarzen gleich Entwicklung für alle.

„Wir haben de Klerk ermuntert, den Veränderungsprozeß zu beschleunigen“, sagt er in seinem Rundblick über globale Fortschritte. Und fast glaubt man ihm, daß er den Schlüssel zur weltweiten schwarz-weißen Versöhnung in der Tasche trüge. Noch ein Schuldenerlaß und ein Marshallplan für Afrika, erklärt er den versammelten Deutschen — und die Sache ist gelaufen. Fragen der Macht sind für den Präsidenten eines Landes, dessen Pro-Kopf-Einkommen zu den niedrigsten der Welt zählt, letztendlich immer solche der Wirtschaftskraft. Deshalb sollen Deutschland und Japan in den Weltsicherheitsrat, der sich im übrigen zukünftig weniger um bewaffnete Konflikte, sondern um soziale und ökonomische Krisen kümmern sollte. Aus demselben Grund soll auch Afrika unterstützt werden: Denn muß man der Regionalmacht Nigeria nicht helfen, die außenwirtschaftlichen Ketten abzustreifen? Muß man seinem weitsichtigen Führer nicht die ökonomische Chance geben, die Realität seinen Vorstellungen anzupassen?

Während Ibrahim Babangida in Berlin sein Land deutschen Investoren anpreist, erzählt seine Ehefrau Mariam Babangida von dem von ihr mitinitiierten Genfer Weltkongreß von „First Ladies“ über ihr preisgekröntes Projekt „Better Life for Rural Dwellers“, das 9.422 Frauenkooperativen ins Leben gerufen hat und deren Produkte international vermarktet. Die Führung, so auch ihre Botschaft, kümmert sich um alles; je größer die Probleme, desto hervorragender die möglichen eigenen Leistungen. Babangida, der sich 1985 an die Macht putschte und seither mit einer Junta regiert, sieht sich an der Spitze der Reformprozesse Afrikas, als erfolgreicher Denker und Lenker der Demokratie, als Integrator tribaler Konflikte, wirtschaftlicher Engpässe, politischer Unzufriedenheiten.

Mittels einer Taktik, erst Selbstkritik zu üben und sich deshalb sofort als besonders überlegen darzustellen, dreht der 50jährige Militärherrscher alle kritischen Fragen um. Unterwirft sich Nigeria mit der IWF-inspirierten Strukturanpassung nicht dem Diktat von außen? Ja, aber nein: Der „wirtschaftliche Druck“ des Westens ist unakzeptabel, aber die Sparprogramme sind auch ein Eigenbeitrag zur notwendigen Introspektion. Sind die afrikanischen Führungen nicht immer noch zum Teil undemokratisch und korrupt? Ja, aber: „Man muß den Führungen nicht sagen, daß sie demokratisieren sollten“, doziert Babangida. „Die Völker werden außergewöhnlich bewußt und erregt. Je früher wir dies begreifen, um so besser.“ Mit anderen Worten: Er, der Präsident, hat dies alles längst begriffen.

Möglich ist sogar, daß der 1992 frei zu wählende Nachfolger Babangidas wieder Babangida heißen könnte. Denn die Realisierung seiner Vision braucht viel Zeit. „Wir alle werden sterben“, erklärt der putschgestählte General auf hartnäckige Fragen. „Wir, unsere Kinder, unsere Kindeskinder, alle werden sterben, andauernd. Aber Nigeria lebt weiter.“ Dominic Johnson

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