PORTRAIT: Spaniens Außenminister geht
Francisco Fernandez Ordonez trat vom Amt zurück/ Allgemeine Trauer um einen unkorrumpierten Politiker ■ Aus Madrid Antje Bauer
Seit Monaten schon war er immer durchsichtiger geworden, hatten sich die typischen Falten der Magenkranken immer tiefer in sein Gesicht gegraben. Ende Mai hatte Spaniens Außenminister Francisco Fernandez Ordonez seinen Chef Felipe Gonzalez definitiv um die Ablösung vom Amt gebeten, und seit gestern ist sein Nachfolger bekannt: Er heißt Javier Solana und war bislang Minister für Erziehung und Wissenschaft, ist langjähriges Parteimitglied und Freund von Felipe Gonzalez. Seither herrscht in Spaniens politischen Kreisen leichte Trauerstimmung. Die Presse, die Abgängern sonst gerne noch einen Tritt hinterher versetzt (Ausnahme: wenn der Abgang durch den Tod erfolgt), ergeht sich einmütig in Lobesgesängen und nostalgischen Rückblicken auf den Beginn der spanischen Demokratie. Selbst die sonst immer ätzbereite Linke übt ungewohnte Nachsicht mit dem scheidenden Minister. Der heute 62jährige Paco Ordonez gehört zu den Elefanten in der spanischen Politik. 1973 wurde er unter Franco zum Generalsekretär des Wirtschaftsministeriums ernannt. Bald darauf erhielt er den Vorsitz über den staatlichen Industrieriesen INI. Erst nach Francos Tod wurde er politisch aktiv und gründete eine sozialdemokratische Partei, die sich jedoch bald darauf in der linken Zentrumspartei UCD des ersten demokratisch gewählten Premierministers Adolfo Suarez auflöste. Unter Suarez wurde Ordonez zuerst Finanz- und später Justizminister. Als solcher setzte er im katholischen Spanien gegen heftigen Widerstand der Kirche und mehrerer Parteien ein Scheidungsgesetz durch. Bald darauf trat er von der UCD zur Sozialistischen Partei PSOE über, in deren Regierung er seit 1985 als Außenminister amtierte. Ein linker Außenminister war er nicht gerade. Vehement vertrat er die Kehrtwende der PSOE in Sachen spanischer Nato-Zugehörigkeit, distanzierte sich von der saharauischen Befreiungsfront und wertete den marokkanischen König Hassan durch einen Staatsbesuch auf. Gute Beziehungen mit diesem westlich ausgerichteten Maghrebland waren ihm wichtiger als ein moralisches Verhalten gegenüber den späten Opfern der spanischen Kolonisierung. Unter seiner Ägide ging die spanische Regierung auf Distanz zu Kuba und äußerte sich vorsichtig zum Staatsstreich in Algerien. Auch als dieses Jahr die finanziellen Zuwendungen an Lateinamerika zusammengestrichen wurden, war aus dem Außenministerium kein Schreckensschrei zu vernehmen. Daß trotzdem fast nur Gutes über ihn zu hören ist, liegt zum einen daran, daß der souveräne Minister auf dem internationalen Parkett im allgemeinen und dem europäischen im besonderen das Selbstbewußtsein zeigte, um das sich das demokratische Spanien bemüht. Freundlich, verhandlungsfähig und tolerant, arbeitete er gegen die alte Angst der Spanier, sich vor den anderen zu blamieren. Der Beginn der israelisch-arabischen Friedensgespräche in Madrid war der krönende Erfolg seiner diplomatischen Karriere. Der zweite Grund für seine Beliebheit hingegen ist, daß er sich aus Intrigen innerhalb der Sozialistischen Partei herausgehalten, sich weder bereichert noch korrumpiert hat. „Der Mann, den die Ausübung der Macht weder seine Ideen noch seine Frau, noch seine Wohnung, noch seinen Hund hat wechseln lassen“, heißt in 'El Mundo‘ über Francisco Fernandez Ordonez. Diese Beständigkeit ist im heutigen Spanien schon ein wahres Wunder.
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