POLITISCHES, NICHT ÖKONOMISCHES INTERESSE HAT ROVER LANGE ERHALTEN : Briten in der Sackgasse
Der englische Patient ist im Alter von hundert Jahren verstorben. Sein Ableben kam nicht unerwartet, wurde er doch jahrelang künstlich ernährt. Vor 30 Jahren hatte Rover, das damals British Leyland hieß, 170.000 Angestellte. Aber schon damals musste die Regierung Milliarden hineinpumpen, bis es das Unternehmen privatisierte und an British Aerospace verkaufte. Die neuen Eigentümer waren froh, die Firma 1994 an BMW loszuwerden.
Eigentlich war Rover schon damals pleite. Als die bayrischen Autobauer das bemerkten, war es zu spät. Rover fuhr so hohe Verluste ein, dass BMW den Laden um jeden Preis loswerden wollte. In der Region Birmingham setzte daraufhin ein Hass auf die Deutschen ein, der in den Forderungen gipfelte, dass Geheimagent James Bond in künftigen Filmen keinen BMW Z 8, sondern ein „anständiges britisches Auto“ fahren solle.
Das Phoenix-Konsortium aus vier ehemaligen Rover-Direktoren erschien damals als Retter. Die „Phoenix Four“ hatten dank der Mitgift von BMW genug Geld für vier bis fünf Jahre. Doch kein Autowerk in Europa produziert weniger Autos pro Stunde als das Werk in Longbridge. Das liegt nicht an der Faulheit der dort Beschäftigten, sondern am Design: Die Autos sind kompliziert und schwer zusammenzubauen. Hinzu kommt die überbewertete britische Währung, die alle britischen Exporteure in die Verzweiflung treibt.
So war der Weg für Rover vorgezeichnet. Die vier Phoenix-Direktoren brachten unterdessen ihr Schäfchen ins Trockene und sicherten sich Millionen sowie eine hübsche Pension. Dass in der Bilanz mehr als 400 Millionen Pfund und 11.000 fertige Autos fehlen, die BMW hinterlassen hatte, soll Gegenstand einer Untersuchung sein, die von der britischen Regierung eingeleitet wird – aber erst nach den Wahlen am 5. Mai.
Dabei wird sich nämlich herausstellen, dass es eben solche politischen Erwägungen waren, die zur derzeitigen Situation bei Rover geführt haben: Auch damals, als man den Phoenix-Direktoren das Unternehmen wider besseres Wissen überließ, standen Wahlen vor der Tür. RALF SOTSCHECK