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Archiv-Artikel

PETER UNFRIED über CHARTS Fuckin’ Frampton Comes Alive!

Kalifornisches Tagebuch: Was tun, wenn man plötzlich die böseste Platte der Rockgeschichte in der Hand hält?

Huuuh, Baby/ I Love your Way.

Wanna tell you/ I Love Your Way.

Wanna be with you/

Night and day. Uhuhuh.

Baby, I Love Your Way

Santa Cruz, Calif. Wenn man in ein Haus kommt, das man gemietet hat, schaut man erst mal, ob das Bett okay ist (ja) und ob der Fernseher funktioniert (nein, Mist). Später guckt man dann, was da für Bücher rumstehen und was für CDs. Beatles, Talking Heads, Clapton, J.J. Cale, hmhm, geht ja grade noch so.

Aber dann der Schock: Plötzlich hatte ich „Frampton Comes Alive!“ in der Hand.

Es ist ein alter Philosophenhut, dass die Kulturkritik nichts vermag außer Werbung zu machen – auch oder gerade, wenn sie negativ ist. Es gibt aber eine Kultur-, bzw. Konsumkritik, die mein Leben nachhaltig beeinflusst hat. Ich werde sie noch auf dem Totenbett auswendig zitieren können. Im ersten Musik Express, den ich kaufte, rezensierte ein gewisser Hermann Haring eine damals (1979) neue Platte von Peter Frampton mit genau drei Worten: „Frampton? Nein, danke.“

Ja, wir waren gut.

Und dieser britische Sänger und Gitarrist war böse. Noch böser als Supertramp. Fast so böse wie Franz Josef Strauß. „Rock war 1979 Zuhältermusik. Von einer Mainstream-Industrie für die Mehrheitskultur“ gemacht (wer hat das wohl geschrieben?). Frampton aber war der kommerziellste Mainstreamzuhälterrock der 70er, was allein dadurch bewiesen war, dass das Doppel-Livealbum „Frampton Comes Alive!“ (1976) mit seinem affigen Ausrufezeichen das meistverkaufte Album der Geschichte war – damals. Von F.s Zuhälterfrisur gar nicht zu reden. Noch in Nick Hornbys „High Fidelity“ redet der Held nur von Peter Fuckin’ Frampton – und kriegt einen Schock, als er in einen Laden kommt, in dem „Baby, I love Your Way“ läuft.

Na ja, man entwickelt sich ja weiter, lässt das eine oder andere Jahrzehnt hinter sich, schleift das eine Dogma hier, lernt dort sogar ein bisschen dazu. Aber alles hat seine Grenzen. Es dürfte wohl klar sein, dass mir Frampton niemals ins Haus kam – geschweige denn auf den Plattenspieler. Aber, wie das so geht: Man ist tausende Meilen weg von zu Hause. Man denkt, es hört ja sonst keiner. Man hat zu dem Zeitpunkt vielleicht auch etwas zu viel Classic-Rock-Radio intus. Classic Rock, in meinem Fall der Sender K-Fox 98.5 („The Southbay’s Classic Rock Experience“) spielt „Songs that stood the test of time“, also ständig „Sweet Home Alabama“, „More Than A Feeling“ und „Brown Sugar“. Es ist die Pervertierung der Utopie, Rock ’n’ Roll sei etwas Progressives. Gemacht, damit die fett gewordenen Babyboomer sich ein bisschen sicherer fühlen, in einer Welt, in der ihnen andere etwas wegnehmen können wollten. (Keine Ahnung, warum ich das immer anhörte.)

Um es kurz zu machen: Ich habe „Frampton Comes Alive!“ aufgelegt.

Mehrfach.

In den Liner Notes schwärmt übrigens Cameron Crowe, der damalige (meist affirmative) Rolling-Stone-Autor und spätere Regisseur des schönen Rock-’n’-Roll-Kitschfilms „Almost Famous“.

Dessen Begeisterung scheint mir übertrieben. Mal abgesehen von den Texten („I’m in You / You’re in me“). Viele Songs sind langweilig und viel zu lang („Do You Feel Like We Do“, „I Wanna Go to the Sun“). Man kann sie immerhin als Beweis dafür nehmen, dass früher doch nicht alles besser war, sondern manches auch viel schlechter als heute.

Aber ich habe mich im Zuge der Forschung auch noch in Studioplatten vertieft und muss sagen: Peter Fuckin’ Frampton hat ein paar okaye Titel hinterlassen, die allemal stark genug sind, um im Hybrid den Ton lauter zu stellen und das Fenster runterzukurbeln, wenn sie im Radio an der Reihe sind. Und „Baby, I Love Your Way“, tut mir leid, kriegt mich heute mehr als jeder Song von Tomte (wenn auch nicht jeder von Kettcar).

Fazit: Frampton für Rock ’n’ Roll zu halten, war in den 70ern so absurd, als würde heute jemand FDP wählen für Rock ’n’ Roll halten. Was auch immer aus einem geworden ist und aus Ideologien und Wertevorstellungen: Man kann auch heute nicht FDP wählen. Aber man kann Peter Frampton hören. Das ist eigentlich alles, was ich sagen wollte.

Die Frampton-Charts:

5. Signed, Sealed, Delivered (I’mYours)4. (Putting My) Heart on the Line3. Show Me The Way2. I Can’t Stand it no More1. Baby, I Love Your Way

Ihre TopFive von Frampton? kolumne@taz.de Dienstag: Michael Streck über TRANSIT